Neues Leistungsschutzrecht tritt in Kraft

Am 1. August tritt das neue Leistungsschutzrecht in Kraft. Große Verlage, darunter die Axel Springer AG, Burda und Gruner + Jahr, haben Google News gestattet, weiterhin Anrisstexte zu übernehmen und zu veröffentlichen.

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Von
  • Holger Bleich

Nach Meinung von Google-Chef Eric Schmidt macht es "das Internet kaputt". Bernhard Rohleder, Chef des deutschen IT-Branchenverbands Bitkom sähe es am liebsten sofort "in der Versenkung verschwinden". Doch alles lamentieren hilft nichts: Am 1. August tritt das umstrittene "achte Gesetz zur Änderung des Urheberrechtsgesetzes" in Kraft, besser bekannt als Leistungsschutzrecht (LSR). Bereits am 14. Mai war der endgültige Gesetzestext im Bundesgesetzblatt erschienen.

Diese neue Regelung gilt ausschließlich für Presseverleger und gibt ihnen das ausschließliche Recht, ihre "Presseerzeugnise oder Teile hiervon zu gewerblichen Zwecken öffentlich zugänglich zu machen, es sei denn, es handelt sich um einzelne Wörter oder kleinste Textausschnitte." Nach vielen Änderungen am ursprünglichen Entwurf sind diesem verabschiedeten Text zufolge höchstwahrscheinlich Text-Snippets, also Anrisse, wie sie Google News und andere News-Aggregatoren zeigen, nicht nach dem LSR geschützt.

Dennoch bleibt eine große Rechtsunsicherheit, die Betreiber von Blogs und Aggregatoren umtreibt. Gerade wenig finanzstarke Projekte könnten von möglichen Forderungen der Verlage in den Ruin getrieben werden und sehen sich deshalb zu Einschränkungen ihrer Services gezwungen. Frank Westphal, Betreiber des Aggregatordiensts Rivva, nimmt "circa 650 Lokalzeitungen, Magazine und ihre Blogs angesichts der aktuellen Rechtsunsicherheit" aus seiner Liste. Der bürokratische Aufwand, um alle interessanten Quellen einzeln um Erlaubnis zu fragen, sprenge sein Ein-Personen-Projekt, teilte er mit. Der Aggregations-Service newsclub.de von Christian Kohlschütter hatte bereits im Januar aufgrund des bevorstehenden LSR seinen Dienst geschlossen.

Der Bitkom sieht sich in seinen Befürchtungen bestätigt: "Wir haben von Anfang an gewarnt: Das Gesetz ist innovationsfeindlich und schadet gleichermaßen den Internetnutzern wie der Netzwirtschaft. Genau das erleben wir jetzt", sagte Hauptgeschäftsführer Rohleder. Bürokratie und Rechtsunsicherheit sei Gift für Start-ups. "Innovative Ideen im Netz werden es in Deutschland künftig noch schwerer haben."

Ironischerweise könnte nun sogar Google, das mit harten Bandagen gegen die Verabschiedung des Gesetzes kämpfte, von der Einführung des LSR profitieren: Weil einige Aggregatoren ihren Dienst einschränken oder aufgeben, steht Google News in Deutschland stärker da. Google hatte Ende Juni als Hauptbetroffener auf die bevorstehende LSR-Einführung mit jenem Opt-in-Verfahren reagiert, das die kleinen Betreiber nicht umsetzen können: Online-Medien, deren Nachrichten auch in Zukunft von Google News verbreitet werden sollen, müssen dem Nachrichtenaggregator explizit ihr Einverständnis erklären.

Alle, die das bis zum Mittwoch nicht getan haben, werden folglich am dem morgigen 1. August aus Google News verschwinden, nicht aber aus dem Google-Suchindex. Die Einverständniserklärung kann über eine Einstellung in den Webmaster-Tools jederzeit widerrufen werden. Google weist die Verlage aber darauf hin, ein solcher Widerruf wirke sich nur auf die Inhalte aus, "die zeitlich nach dem Ausführen Ihrer Entscheidung durch uns gecrawlt wurden."

Nach Googles Ankündigung wartete man in der Branche gespannt darauf, wie die großen Verlage, die sich über ihre Lobbyisten bei der Bundesregierung für das LSR stark gemacht hatten, reagieren. Seit wenigen Tagen ist die Katze aus dem Sack: Zu den Verlagen, die weiterhin in Google News vertreten sein werden, gehört ausgerechnet auch die Axel Springer AG, die aber von einer "Übergangsphase" spricht. Man habe Google ein ein Opt-in zur Nutzung der Inhalte in Form von Textauszügen erteilt, "allerdings unter der Maßgabe und mit ausdrücklichem Hinweis, dass dies nur vorläufig bis zur geregelten Rechteverwertung und ohne Anerkennung der einseitig von Google gesetzten Konditionen geschieht", erklärte Verlagssprecher Hendrik Lange. Längerfristig strebe man aber eine Verwertung von Textübernahmen gemäß des Schutzrechts an.

Auch Hubert Burda Media als entschiedener Verfechter des LSR hat Google News ein Opt-in erteilt. Ähnlich verhält sich Gruner + Jahr. Der Hamburger Verlag erklärte zugleich einschränkend: "Mit dieser vorläufigen Erklärung ist jedenfalls nicht die Bestätigung verbunden, dass die unentgeltliche Nutzung unserer Inhalte ab 1. August ohnehin der Rechtslage entspricht", heißt es. Die Form der Rechtewahrnehmung werde aktuell geprüft. Auch die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (FAZ) stellte ihr Opt-in unter Vorbehalt. Man wolle weiterhin mit anderen Verlagen an einem tragfähigen Konzept für eine kollektive Rechtewahrnehmung arbeiten. Das Modell einer Verwertungsgesellschaft nach Art der GEMA zur gemeinsamen Vermarktung von Textinhalten steht folglich weiterhin auf der Agenda.

"Wir freuen uns sehr, dass hunderte deutsche Verlage ihr Einverständnis bestätigt haben und weiterhin geschätzte Partner von Google News bleiben", fasste Google-Sprecher Kay Oberbeck gegenüber dpa zusammen.

Zu den Angeboten, bei denen ein Opt-in für Google News weniger überraschend kam, zählen Spiegel Online, Zeit Online und Sueddeutsche.de. Für heise online hat der Heise Zeitschriften Verlag Google News sein Einverständnis erteilt. Bereits im März hatte der Verlag erklärt, dass Links und kurze Textausschnitte/Snippets aus seinen Publikationen weiter höchst willkommen sind und dass dies weiterhin keiner Erlaubnis bedarf oder gar Geld kostet. Der Verlag wird niemanden deswegen abmahnen oder auf eine andere Weise dagegen juristisch vorgehen. Das Zitatrecht bleibt vom Leistungsschutzrecht zudem sowieso unberührt. (hob)