Sehprothese ermöglicht Sinneswahrnehmung

Eine Sehprothese namens EPIRET3 soll es Menschen, die an der zur Erblindung führenden Augenerkrankung Retinis pigmentosa leiden, ermöglichen, zunächst Lichtreflexe und geometrische Formen wahrzunehmen.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Barbara Lange
  • Kersten Auel

In einem vierwöchigen klinischen Test wurden sechs Patienten der Universitätskliniken in Aachen und Essen eine Sehprothese namens EPIRET3 implantiert, mit denen einfache Sinneswahrnehmungen möglich waren. Die Betroffenen leiden an der unheilbaren Augenerkrankung Retinis pigmentosa, das heißt, die lichtempfindlichen Zellen der Netzhaut degenerieren (Tunnelblick). Die Patienten erblinden in einem jahrelangen Prozess. In Deutschland sind etwa 10.000 Menschen von dieser unheilbaren Krankheit betroffen, weltweit sind es etwa 3 Millionen. Die Besonderheit: Nervenzellen, die die visuelle Information an das Sehzentrum schicken, bleiben intakt.

Hier setzt das EPIRET3 an. Das System besteht aus zwei Komponenten: Zunächst gibt es einen Sender, der in der Regel auf einer Brille angebracht wird. Er schickt Daten und Energie an das Implantat im Auge, indem er die Bildinformationen so bearbeitet, kodiert und moduliert, dass die Sinneszellen sie interpretieren können. Als weltweit einziges System erfolgt die Datenübertragung zwischen Sender und Empfängerspule des Implantats dabei drahtlos, hebt die Philipps-Universität Marburg als Besonderheit des Systems hervor. Andere Retina-Implantate nutzen Kabelverbindungen.

Das Implantat selbst befestigen die Chirurgen auf der Netzhaut. Darin befinden sich Microchips, die die empfangenen Daten weiterverarbeiten, an die Zellen weiterleiten und als Bildinformation verstehen können. Im durchgeführten klinischen Test haben die Wissenschaftler die Wahrnehmung der Patienten mit verschiedenen elektrischen Reizen untersucht. Alle Patienten konnten diese Reize als Sehwahrnehmung interpretieren und verschiedene Muster unterscheiden. Dabei geht es nicht um komplexe Bilder, sondern um einfache Lichtreflexe und geometrische Formen, die mit einem Mustergenerator übertragen wurden.

Für einen nächsten Schritt ist eine Kamera geplant, die – an der Brille der Patienten befestigt – das Licht aufnimmt und daraus einen Datenstrom generiert. Da jedes Sehzentrum eines Menschen individuell arbeitet, wird für das Erkennen differenzierterer Formen auch ein Retina-Encoder notwendig sein, der eine individuelle Übersetzung der übertragenen Informationen ermöglicht. Auch daran arbeiten die Wissenschaftler. Ein marktfähiges Produkt soll das gerade gegründete Unternehmen Epiret GmbH entwickeln.

Aber die Hoffnung sollte nicht zu hoch gesteckt sein: Die Sehprothese wird nach den Erwartungen der Wissenschaftler in einigen Jahren eine Orientierung im Raum unterstützen und das Erkennen von Licht und groben Umrissen ermöglichen. Als Voraussetzung müssen Sehnerv und Sehzentrum des Patienten intakt sein. Für Menschen, die von Geburt an blind sind, ist die Prothese nicht geeignet.

Beteiligt am Forschungskonsortium von EPIRET3 sind diverse Universitätsinstitute und mehrere Firmen. Das BMBF hat die Entwicklung der Technik initiiert und seit 1995 mit mehreren Millionen Euro gefördert. In einem anderen Ansatz wird das Implantat nicht auf, sondern hinter der Netzhaut befestigt. Hieran arbeitet eine Forschungsgruppe am Forschungsinstitut für Augenheilkunde in Tübingen . (Barbara Lange) / (ka)