Von Krupp zu Krebs

Sein Urteil entscheidet über das Wohl und Wehe der vielversprechendsten deutschen Biotech-Newcomer: Der Krupp-Erbe Friedrich von Bohlen und Halbach hat der Szene als Berater des SAP-Milliardärs Dietmar Hopp bisher 900 Millionen Euro verschafft, so viel wie niemand sonst.

vorlesen Druckansicht
Lesezeit: 17 Min.
Von
  • Sascha Karberg

Sein Urteil entscheidet über das Wohl und Wehe der vielversprechendsten deutschen Biotech-Newcomer: Der Krupp-Erbe Friedrich von Bohlen und Halbach hat der Szene als Berater des SAP-Milliardärs Dietmar Hopp bisher 900 Millionen Euro verschafft, so viel wie niemand sonst.

Staksigen Schritts betritt Friedrich von Bohlen und Halbach das "Paramount", ein beliebtes Frühstücks-Café im Bostoner Stadtteil Beacon Hill. Die Beine des passionierten Läufers sind schwer vom frühmorgendlichen Training. Drei Stunden und vierzig Minuten hat er für den letzten Boston-Marathon gebraucht. "Etwas langsamer als erhofft", sagt er und wirkt trotzdem zufrieden. Friedrich Bohlen, eigentlich bekannt für schnelle Autos, schnelles Denken, schnelles Entscheiden, hat gelernt, dass nicht alles auf dieser Welt so schnell läuft, wie er es sich vorstellt. Dafür aber musste er erst spektakulär scheitern.

Der große, hagere, ordentlich gescheitelte Mann, der sich nun geduldig in die lange Warteschlange reiht und mit Jetlag-müden Augen die Speisekarte mustert, war einst Deutschlands "bekanntester Biotech-Unternehmer" ("Zeit"). Er war eine Leitfigur des Hypes und sammelte 220 Millionen Euro mit seiner Heidelberger Biotech-Firma Lion Bioscience ein. In Interviews entwarf er mit großen Gesten die Zukunft der deutschen Biotech-Branche und schwärmte Investoren von den Möglichkeiten computergestützter Medikamentensuche und von Lion vor, dem zukünftigem "SAP der Gesundheitsbranche".

Doch als die Biotech-Spekulationsblase platzte, ging wie vielen anderen deutschen Biotech-Firmen und Anlegern auch Lion die Puste aus. Die Aktien verloren über 90 Prozent ihres Wertes. Lion fusionierte mit Axaron zur Sygnis Pharma. Bohlen verschwand aus dem Rampenlicht, viele hatten ihn schon abgeschrieben. Doch der Spross der Krupp-Stahl-Familie, der den adligen Rest seines Namens stets weglässt, ist wieder im Rennen: Zum einen mit dem neuen Unternehmen Molecular Health, das vor allem in den USA aktiv ist. Zum anderen hat er – für die deutsche Biotechnologie viel wichtiger – in SAP-Gründer und Multimilliardär Dietmar Hopp einen liquiden Sponsor für die Realisierung seiner immer noch großen Visionen gefunden: Impfungen gegen Krebs etwa und Therapien für die Alzheimersche und die Parkinsonsche Krankheit.

Je mehr sich die institutionellen Risikokapitalgeber zurückzogen, je weniger sie ihrem Namen gerecht wurden, desto mehr Einfluss bekam Bohlen als Investitionsberater des Biotech-affinen Mäzens. 2008 bis 2011 investierten laut den Branchenanalysten von Ernst & Young sogenannte Familieninvestoren ("Family Offices") in Deutschland, darunter auch die Brüder Andreas und Thomas Strüngmann, Stefan Engelhorn und Christoph Boehringer, 30 Prozent mehr als alle Risikokapitalgesellschaften zusammen. Aber keiner hat über die Jahre so viel Geld in die Hand genommen wie Hopp mithilfe von Bohlen. Das macht den Krupp-Erben zu einem der einflussreichsten Figuren im deutschen Biotech-Markt. Ohne seine Empfehlung ist kein einziger der fast 900 Millionen Euro geflossen, die der SAP-Gründer Dietmar Hopp in den letzten acht Jahren in die Arzneimittelentwicklung investiert hat. Von seinen Entscheidungen hängt damit nicht nur das Schicksal von einem guten Dutzend Unternehmen ab, sondern auch die Zukunft der Biotech-Gründerszene.

Aber nicht nur das: In seiner Karriere spiegelt sich auch das Schicksal der Branche hierzulande. Bohlen kennt beides aus unmittelbarer Nähe: den früheren Hype genauso wie die heutige Angst der Investoren vor dem Risiko. Er weiß sowohl um die euphorischen als auch um die deprimierenden Momente auf dem Weg zum Erfolg – und hat gelernt, wie wichtig ein langer Atem ist. Nicht nur beruflich. In seiner Freizeit läuft er seit über dreißig Jahren, als 19-jähriger Fallschirmjäger bei der Bundeswehr fing er an. Auch während der Biochemie- und Jura-Studien sowie der Promotion in Neurobiologie an der ETH Zürich schnürt er drei- bis viermal pro Woche seine Laufschuhe, meist früh am Morgen. Er läuft, als er Trainee bei Fresenius und Assistent bei FAG Kugelfischer wird. Im Spurt bringt er die 1997 gegründete Lion Bioscience schon drei Jahre später an die Börse, bevor ihn die Krise Ende 2003 ins Straucheln bringt. Er lag am Boden. Dann traf er Dietmar Hopp –"eine der wichtigsten Begegnungen in meinem Leben", wie er sagt.

"Wir hielten beide einen Vortrag auf der Geburtstagsfeier eines gemeinsamen Bekannten", erzählt Bohlen, während er – ganz der Sportler – Buttermilch-Pancakes, Ei, Toast, Joghurt und Orangensaft verdrückt. "Herr Hopp redete über zukünftige IT-Systeme, ich über personalisierte Medizin." Elf Jahre sei das jetzt her, die stürzenden Aktien von Lion waren gerade Börsenthema Nummer eins – doch Hopp interessierte die Kritik an Bohlen nicht. "Lion war nie ein Thema zwischen uns." Stattdessen drehte sich der Small Talk um die Faszination und die Möglichkeiten der Biotechnologie.

Wolfgang Hartwig, heute Geschäftsführer der Pharmafirma LTS Lohmann, kennt Bohlen, seit er 2000 als Bayer-Forschungschef eine 25-Millionen-Euro-Kooperation mit Lion Bioscience abgeschlossen hat. "Bei Bayer singen viele vor", sagt Hartwig, aber Bohlen sei anders gewesen. "Er wollte erst einmal gar nichts verkaufen, sondern führte einfach ein anregendes Gespräch auf wissenschaftlicher Ebene." Das habe ihm gefallen. Dass der Familienname in der Anbahnung solcher Gespräche wohl ein Türöffner ist, gibt Hartwig gern zu. "Natürlich ist man neugierig, und sicher weiß er das auch." Aber für mehr reiche der Name wiederum auch nicht. Geschäfte würden aufgrund von Fakten beschlossen.

Zwei Jahre nach dem ersten Treffen mit Hopp las Bohlen in der Zeitung von dessen 26-Millionen-Euro-Investition in Heidelberg Pharma. Er rief den Milliardär an, der ihn in seinen Golfclub in Sankt Leon-Rot bei Heidelberg einlud, wo er im Konferenzraum seine Geschäfte zu regeln pflegt. Nach kaum einer halben Stunde Small Talk griff der ehemalige SAP-Chef zum Telefon und rief Christof Hettich an, seinen langjährigen Rechtsanwalt, Geschäftspartner und Vertrauten: "Sie müssen sich mal mit Herrn Bohlen unterhalten." Mehr Hinweise brauchte Hettich nicht, dass er mit dem Biologen ein Investitionskonzept erarbeiten soll. Nach diesem Konzept hat Hopp mittlerweile – über die 2006 vom Trio gegründete Beteiligungsgesellschaft Dievini – fast 900 Millionen Euro in 16 deutsche Biotechnik-Firmen und damit in die Entwicklung neuer Medikamente investiert.

Ein Glücksfall für die Branche. Ihr mangelt es zwar nicht an guten Ideen, wohl aber an Geld, um daraus Medikamente zu machen. Doch außer Privatinvestoren – Liebhabern der Szene wie Hopp und Branchenkennern wie den Strüngmann-Brüdern, den Gründern des Generikaherstellers Hexal –, investiert in Deutschland kaum noch jemand langfristig in Biotechfirmen. Die Analysten von Ernst & Young sprachen im jüngsten Biotech-Bericht sogar vom "Scheitern des klassischen Venture-Capital-Modells". In den USA war Risikokapital die Hauptfinanzierungsquelle für inzwischen hochprofitable Biotechunternehmen wie Genentech, Biogen und Amgen – und ist es für junge Firmen nach wie vor. 2011 flossen in den USA 1,24 Milliarden Dollar Risikokapital in die Branche. Im gleichen Jahr waren es in Deutschland nur 87 Millionen Euro.

Die Risikobereitschaft amerikanischer Investoren ist deutschen Geldanlegern fremd, die inzwischen lieber auf bescheidenere Renditen setzen, wenn sie sich nur kurzfristig und relativ sicher einstellen. Doch kurzfristig ist das falsche Adjektiv für die Arzneientwicklung. Um ein Medikament bis zur Marktreife zu bringen, muss ein Unternehmen aufgrund der aufwendigen Test- und Zulassungsprozesse 10 bis 15 Jahre sowie hohe dreistellige Millionenbeträge investieren, bis mit einer Rendite zu rechnen ist. Denn nur ein paar Prozent der Kandidaten schaffen es ins Ziel. "Die Erwartung schneller Resultate, die Fehleinschätzungen der Möglichkeiten und das häufige Scheitern, das in der Natur der Sache liegt, haben den Optimismus von Investoren in Deutschland gedämpft", resümiert Bohlen. "Und dann die ganze hiesige Biotech-Branche in eine Negativspirale geführt."

Das klingt, als ob er nur über andere spricht. Doch auch er selbst hatte mit Lion zu schnell zu viel gewollt. Anstatt sich auf das Kerngeschäft mit Software-Paketen für Pharmafirmen zu konzentrieren, hatte er nebenher und halbherzig eine teure Arzneimittelentwicklung gestartet. Die Goldgräberstimmung, die er mit geschürt hatte, hatte ihn selbst erfasst. "Wer immer alles unter Kontrolle hat, ist einen Tick zu langsam", hat Bohlen, der auf dem Nürburgring gelegentlich Amateurrennen fährt, seinem Kollegen Hartwig einmal gesagt. Wie so viele hoffte auch er, dass sich das rasant wachsende biomedizinische Wissen ebenso rasch in neue und lukrative Medikamente übersetzen ließe. Heute sagt er: "Wenn ich die Geduld, das Team und das Geld nicht habe, ist es weiser, gar nicht erst anzufangen, als mit wenigen Mitteln oder einem unerfahrenen Team zu starten und dann zu hoffen, dass es schon irgendwie gut gehen wird. Das tut es eben leider nicht."

Er nimmt sich Zeit für einen Spaziergang durch den von Hochhäusern umringten Park "Boston Common". Die Ostküstenstadt passt zu seinen Visionen, weil sie es wie keine andere auf der Welt versteht, aus biomedizinischer Forschung lukrative Medikamente zu machen. Er habe Hopp gefragt, was er will, erzählt Bohlen im Gehen. "Wollen Sie lieber risikoärmere Investitionen in Firmen, die erfolgreiche Medikamente kopieren und optimieren? Oder den langwierigen und teuren Weg zu neuartigen Medikamenten für unheilbare Krankheiten gehen?"

Diese hätten zwar eine geringere Zulassungswahrscheinlichkeit, könnten aber im Erfolgsfall auch große Summen einspielen. Hopp habe sich bewusst für den längeren, riskanteren Weg entschieden – für völlig neuartige Therapiekonzepte junger Unternehmen wie CureVac und Immatics gegen den großen Killer Krebs. "Wenn das klappt, tun sich ganz neue Medikamentenklassen mit völlig neuen Möglichkeiten auf", sagt Bohlen begeistert, und seine ansteckende Euphorie für pfiffige Ideen blitzt wieder auf. Bei CureVac etwa versuchen die Entwickler, die versteckten Krebszellen zu enttarnen. Um das Immunsystem gegen sie zu mobilisieren, zeigt es ihm die RNA-Baupläne von krebstypischen Proteinen. Immatics verfolgt eine ähnliche Strategie, stellt die Körperabwehr aber direkt mit Krebsproteinen scharf.

Bohlen gestikuliert fast beschwörend, er öffnet und schließt die Hände, als ob der Erfolg der Immuntherapien schon greifbar wäre. Doch die wütenden Anfeindungen und sogar Morddrohungen enttäuschter Aktionäre nach Lions Bauchlandung haben Spuren hinterlassen. Bohlen bremst sich, formuliert vorsichtiger, bemüht sich, keine unrealistischen Hoffnungen zu wecken. Ganz ablegen kann er sein übersprudelndes Wesen nicht. "Man muss ihn manchmal vor seiner eigenen Begeisterung schützen", sagt Hopps zweiter Berater Hettich. Er, der vor einer Entscheidung lieber erst darüber schläft, scheint genau das Regulativ zu sein, das der schnelle Bohlen braucht. "Anfangs hätte wohl jeder darauf gewettet, dass das nicht gut gehen kann – ein Team aus zwei Alpha-Tieren", sagt der Berater. Doch die beiden haben bereits gut 200 Investitionsoptionen für Biotech-Firmen gemeinsam geprüft.

Der Mäzen hält sich aus dem Auswahlprozess fast komplett raus und verlässt sich auf die Expertise seiner Berater. Das erste Aussieben übernimmt Bohlen. Vorschläge, die auch Hettichs Interesse wecken, kommen in die nächste Runde. Hier werden zusätzliche Experten zu Rate gezogen, die Firma, Forschung und Geschäftskonzept prüfen, sowie Gespräche mit den übrigen Investoren geführt. Erst dann bekommt Hopp Stärken und Schwächen der Firmen sowie Chancen und Risiken einer Investition präsentiert. Wenn sich der Geldgeber abschließend persönlich ein Bild von den Geschäftsführern der Unternehmen gemacht hat, trifft er die endgültige Entscheidung. Bisher hat er noch keinen Vorschlag von Bohlen und Hettich abgelehnt.

Vor zwei Jahren schaltete das Dievini-Team dennoch einen Gang zurück. Es investiert zwar derzeit nicht in neue Biotech-Unternehmen, wenn aber Firmen aus dem Portfolio wichtige Meilensteine erreichen, erhalten sie wie CureVac im letzten Herbst weitere Förderung. Bevor weitere Biotech-Firmen hinzukommen, sollen sich aus dem Portfolio der 16 Investitionen Erfolge einstellen – also große Pharma-Unternehmen auf sie aufmerksam werden und die Firmen oder ihre Projekte kaufen. Die Einnahmen will Hopp dann wieder in neue Unternehmen stecken und so ein sich selbst tragendes System schaffen.

Bis zum milliardenschweren Durchbruch muss er aber wohl noch einige Jahre langen Atem beweisen. Viele Projekte haben erst die Halbzeit des üblichen Entwicklungszeitraums erreicht. Und obwohl einige Investitionen wie Cosmo Pharmaceuticals und Lohmann Therapie-Systeme schon schwarze Zahlen schreiben, patzten 2011 und 2012 drei der Arzneimittelentwickler im Hopp-Portfolio: Wilex, Sygnis und Agennix mussten jeweils das Durchfallen von Wirkstoffkandidaten melden und zum Teil schon Mitarbeiter entlassen. Hopp reagiert erstaunlich gelassen: "Mir war schon klar, dass das passieren kann", sagt der Milliardär. "Ich wäre froh, wenn am Ende zwei der Investments erfolgreich wären." Bohlen jedoch macht er "nicht einmal im Ansatz einen Vorwurf".

Aber Bohlen weiß natürlich: Es sieht nicht gut aus, jetzt schon drei, mit Lion sogar vier Misserfolge auf dem Konto zu haben. Die Verluste findet er "natürlich echte schiete", sagt der im Essener Ruhrpott geborene und unverbesserliche Rot-Weiß-Essen-Fan direkt. Seine Enttäuschung bekämpft er auch mal mit einem Bier mehr und ultralangen Lauftouren. Aber so wie er trotz Regionalliga-Tief seinem Fußballverein die Stange hält, so verbissen hält er auch an seinen beruflichen Zielen fest. Versuchen müsse man es doch, sagt Bohlen mit Trotz in der Stimme. "Es braucht den unerschütterlichen Glauben, dass manche Dinge so sind, wie man sie sieht." Und wenn andere das als Arroganz auslegen? "Ja, das kann schon sein. Aber wenn nur eine Immatics, eine CureVac oder eine Apogenix durchkommt, dann war alles richtig."

Inzwischen ist Bohlen durch halb Boston, von Beacon Hill nach Brookline, spaziert und schließt die Tür zur typisch amerikanischen Wohnküche des Apartments auf. Die Ordnung hält sich in Grenzen, denn Bohlens Kinder, allesamt Teenager, genießen die sonntägliche Vormittagsruhe – lesend oder Wii-spielend vor dem Fernseher. So bürgerlich normal Bohlen auch lebt, so ist ihm die Familienhistorie dennoch nicht egal. Juristisch hat er sogar für ein Mitbestimmungsrecht der Nachfahren des Stahl-Unternehmers Alfried Krupp an der Krupp-Stiftung gestritten, die das Erbe und die Firmengeschicke gemäß Alfried Krupps letztem Willen verwaltet – und verloren. Doch warum tut sich ein finanziell unabhängiger Adelsspross die Tortur überhaupt an, sich in der riskanten Biotech-Industrie zu engagieren und dafür im Zwei-Wochen-Rhythmus zwischen den USA und Deutschland hin und her zu pendeln und seine Familie seit Jahren nur selten zu Gesicht zu bekommen?

Ist es wirklich nur die Macher-Mentalität? Die Faszination für den Fortschritt, die sich in Sätzen offenbart wie: "Ich lebe gedanklich in der Zukunft"? Der frühere Kooperationspartner Hartwig spekuliert, dass Bohlen vielleicht statt einer Stahl- nun eine Biotech-Dynastie im Hinterkopf habe. "Ich würde lügen, wenn ich sage, dass meine Familiengeschichte mich nicht geprägt hat", sagt Bohlen dazu. Zwar gebe es so etwas wie ein Unternehmer-Gen nicht, aber das Interesse für Innovationen wurde aufgrund der Familienhistorie vielleicht früh geweckt. "1812 waren Techniken zur Stahlverarbeitung innovativ, heute ist es die Biotechnologie. Sie wird die Medizin – und damit die Gesellschaft – nachhaltig verändern. Das treibt mich 24 Stunden am Tag an." Der Name von Bohlen und Halbach ist dabei nicht nur Türöffner, sondern auch Belastung für den Krupp-Neffen. "Jeder erwartet Großes, und vielleicht erwartet er das auch von sich selbst", meint Christof Hettich.

Vielleicht konnte Bohlen das Scheitern seiner Lion Bioscience deshalb nicht einfach so hinnehmen. Bereits 2004, kurz nachdem er den Vorstandsvorsitz bei Lion an den Nagel hing, gründete Bohlen Molecular Health mit Firmensitz in Basel und Ablegern in Heidelberg, New York und Houston – und zwar mit eigenem Geld. Die Grundidee des Unternehmens hatte Bohlen schon zu Lion-Zeiten: Ärzten mit intelligenten Computerprogrammen die Therapieentscheidung zu erleichtern und vor Neben- und Wechselwirkungen von Medikamenten zu warnen. Was bislang Jahre dauerte, erledigen Molecular Healths Programme mit ein paar schnellen Klicks. Jahrelang entwickelte er die Firma im Stillen, zunächst ohne, seit 2006 auch mit Hopps finanzieller Hilfe.

Doch diesmal verlässt er sich nicht auf den deutschen Markt, sondern verankert das Unternehmen von Anfang an auch in den USA. Er zieht sogar mit der Familie nach Boston und pendelt alle paar Wochen zwischen den USA und Deutschland. Sein Konzept ist erfolgreich: Seit Mitte 2012 ist die US-amerikanische Arzneimittel-Zulassungsbehörde FDA ein Kunde, ebenso wie das größte Krebszentrum der Welt, das "MD Anderson Cancer Center" in Houston. Ein Erfolg, der sich für Bohlen wie eine späte Genugtuung anfühlen muss. (bsc)