Ein neues Wundermaterial für die Photovoltaik?

Solarzellen aus dem billigen Perowskit nähern sich in ihrem Wirkungsgrad herkömmlichen Solarzellen an. Mit denkbaren Herstellungskosten von zehn bis zwanzig Cent pro Watt sehen einige Forscher in ihnen schon die Photovoltaik der Zukunft.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 7 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Kevin Bullis

Solarzellen aus dem billigen Perowskit nähern sich in ihrem Wirkungsgrad herkömmlichen Solarzellen an. Mit denkbaren Herstellungskosten von zehn bis zwanzig Cent pro Watt sehen einige Forscher in ihnen schon die Photovoltaik der Zukunft.

Trotz des Solarbooms geht die Suche nach neuen Materialien für Solarzellen weiter. Silizium ist auf der Erde zwar in Hülle und Fülle vorhanden, aber die Produktion der Kristalle immer noch recht teuer. Das US-Energieministerium rechnet, dass Photovoltaik erst bei Herstellungskosten von 50 US-Cent pro Watt installierter Leistung mit fossilen Energien gleichziehen kann – derzeit liegen die Kosten bei knapp 60 bis 80 US-Cent pro Watt. Materialwissenschaftler schlagen nun ein Material vor, dass diese Kosten drastisch unterbieten könnte: Perowskit-Kristalle. Sie könnten den Fertigungspreis auf 10 bis 20 Cent pro Watt drücken.

Solarzellen aus Perowskit ließen sich mit einer sehr einfachen und potenziell äußerst billigen Technologie herstellen, sagt Martin Green von University of New South Wales in Australien. „Ihr Wirkungsgrad ist zuletzt drastisch besser geworden.“

Green ist selbst von den jüngsten Fortschritten überrascht, denn eigentlich ist das Perowskit genannte Kalziumtitanat seit über hundert Jahren bekannt. Der Halbleiter hat sich inzwischen als sehr guter Lichtabsorber herausgestellt. Schon einen Mikrometer dicke Kristallschichten fangen dieselbe Menge an Sonnenlicht wie 180 Mikrometer dicke Silizium-Wafer ein.

„Das Material ist spottbillig“, freut sich der Chemiker Michael Grätzel, der seit den achtziger Jahren Farbstoffsolarzellen entwickelt hat, nach ihm auch Grätzelzellen genannt. Seine Forschungsgruppe hat bereits Perowskit-Zellen mit einem Wirkungsgrad von 15 Prozent hergestellt, wenn auch unter Laborbedingungen. Sogar 20 bis 25 Prozent sollten im Prinzip möglich sein, schätzen Wissenschaftler – das wäre dann so viel wie bei den besten, derzeit auf dem Markt verfügbaren Siliziumzellen.

Zwar dürfte der Wirkungsgrad von Perowskitzellen in Massenproduktion niedriger liegen. Doch weil die Herstellung so einfach und billig sei, falle das nicht so ins Gewicht, betont Grätzel.

Die Kristallmasse lässt sich auf Glasscheiben oder Metallfolien aufbringen. Für Visionäre, die von Solarzellen zum Aufsprühen träumen, mag die Technik zu gewöhnlich sein. „Es ist hochgradig unwahrscheinlich, dass Sie irgendwann eine Tube mit ‚Solarfarbe’ kaufen können“, schränkt jedoch Henry Snaith, Physiker an der Oxford University, ein, der selbst äußerst effiziente Prototypen von Perowskitzellen gefertigt hat.

Die ersten Versuche mit dem Halbleiterkristall begannen 2009. Damals lag der Wirkungsgrad noch bei bescheidenen 3,5 Prozent. Auch waren die ersten Zellen nicht besonders haltbar, weil das Perowskit von den verwendeten flüssigen Elektrolyten aufgelöst wurde. Das ging mitunter so schnell, dass die Forscher Mühe hatten, überhaupt einen Test mit dem Material machen zu können.

Der Durchbruch kam im letzten Jahr. „Zwischen 2009 und 2012 gab es nur eine Veröffentlichung dazu, doch im Sommer 2012 hob die Sache ab“, sagt Snaith. Unter anderem dank neuer fester Elektrolyte kletterte der Wirkungsgrad immer höher.

Snaith ist nun dabei, die Technologie mit dem Start-up Oxford Photovoltaics, das von Investoren 4,4 Millionen Dollar Startkapital eingesammelt hat, marktreif zu machen. Grätzel zieht es vor, seine Perowskit-Technologie an Photovoltaikfirmen zu lizenzieren.

Ob das Material die Erwartungen von Snaith, Grätzel und anderen Forscher erfüllen kann, ist allerdings nicht ausgemacht. Einige Industrieexperten halten es für möglich, dass die Siliziumtechnologie noch auf 25 Cent pro Watt fällt. Dann hätten Perowskitzellen keinen Wettbewerbsvorteil mehr, und Hersteller würden gar nicht erst im großen Stil in die neue Technologie investieren. Auch wenn die Beschichtungsverfahren für Perowskite ein alter Hut sind – in flüssiger Phase oder mittels Dampfablagerung –, dauert es erfahrungsgemäß ein Jahrzehnt, bis sich eine neue Technologie in der Photovoltaik etabliert.

Perowskite könnten deshalb zunächst als Zusatzstoffe zu Siliziumzellen zum Zuge kommen, sagt Martin Green. So könnte man etwa eine dünne Perowskitschicht auf eine konventionelle Zelle streichen, um deren Wirkungsgrad zu erhöhen.

Ein nicht ganz unerheblicher Haken an Perowskitzellen ist zudem, dass die bislang verwendeten Kristalle geringfügige Anteile an Blei enthalten. Ob dessen Toxizität die Zellen gefährlich macht, muss erst noch untersucht werden. Deshalb müssten sie wohl sorgfältig gesammelt und recycelt werden, so wie bleihaltige Autobatterien. Denkbar ist aber, dass das Blei in den Perowskitzellen durch andere Elemente ersetzt werden kann. (nbo)