Späte Warnung

Die FDA warnt vor bleibenden Schäden durch das Malariamittel Lariam. Das war aber bereits bekannt. Verboten wird das Präparat dennoch nicht.

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Von
  • Veronika Szentpetery-Kessler

Die FDA warnt vor bleibenden Schäden durch das Malariamittel Lariam. Das war aber bereits bekannt. Verboten wird das Präparat dennoch nicht.

Lariam ist eins der am häufigsten verschriebenen Malariamedikamente. Sein Vorteil: Es muss nur einmal pro Woche eingenommen werden, Malarone und Doxycyclin dagegen täglich. Sein massiver Nachteil: Sein Wirkstoff Mefloquine-Hydrochlorid hat – in einem nicht zu vernachlässigenden Teil der Fälle – äußerst bedenkliche Nebenwirkungen. Dazu gehören nicht nur neurologische Probleme wie Schwindel und Tinnitus, sondern auch massive psychische Auswirkungen wie Albträume, Halluzinationen, Angstzustände und Depressionen. Ich habe mich schon vor Jahren gewundert, warum das Medikament und seine Generika-Varianten immer noch verschrieben werden darf – übrigens auch Kindern.

Jetzt hat die US-Zulassungsbehörde FDA endlich beschlossen, zumindest die Hinweise auf die Nebenwirkungen weiter zu verschärfen. Künftig muss eine sogenannte „Black Box“-Warnung in der Packung enthalten sein, wonach die Nebenwirkungen lange anhalten können oder möglicherweise nie wieder verschwinden. Das ist wohlgemerkt die höchste Warnstufe der FDA, die richtig schweren Fällen vorbehalten ist. Es ist auch höchste Zeit dafür, aber es ist nicht genug. Denn wie der Autor David Stuart MacLean in der New York Times schreibt, besteht der auf den Beipackzettel gedruckte Rat darin, bei auftretenden Nebenwirkungen einen Arzt zu konsultieren und auf ein anderes Mittel umzusteigen. Wenn es aber so weit sei, säße man längst irgendwo im Ausland, nicht selten in Gebieten mit schlechtem Handy-Empfang und wenig Ärzten.

MacLean nahm Lariam vor elf Jahren während eines Aufenthalts in Indien und litt unter anderem drei Tage lang unter so starken Halluzinationen, dass er in ein Krankenhaus kam und fixiert werden musste. Wenigstens war er da noch in der Nähe eines Krankenhauses. Viele Feldforscher aber, die etwa in Afrika arbeiten, wollen nicht mitten im Urwald Probleme kriegen und sind längst umgestiegen. Bereits vor zehn Jahren enthielt der Beipackzettel eine abtrennbare Warnung, die allzeit im Portemonnaie mitgeführt werden sollte.

Auch viele Militärs rücken inzwischen von dem – einst im Auftrag der US-Armee entwickelten – Medikament ab. Das Mittel wird als Ursache für gewalttätige Ausraster von Soldaten vermutet. Remington Nevin, früher Arzt in der US Army hat die Auswirkungen des Mittels jahrelang untersucht und wird in einem aktuellen Interview noch deutlicher als die FDA-Warnung: „Mefloquine gehört zu einer Gruppe von Medikamenten, die neurotoxisch sind und mit bleibenden Gehirnschäden in Verbindung gebracht werden.“ Nevin versuchte jahrelang, die Army von Lariams Schädlichkeit zu überzeugen. Mit anderen Worten: Die Nebenwirkungen waren also schon länger bekannt. Viel wichtiger aber: „Bleibend“ heißt, wenn man bei den ersten Symptomen aufhört, könnte es zu spät sein. Inzwischen würden die US-Streitkräfte das Mittel nur noch in Notfällen verschreiben, wenn kein anderes verfügbar sei. Auch wenn die FDA das Mittel nicht verboten hat, rechnet er damit, dass die FDA-Warnung der letzte Sargnagel für Lariam sein könnte.

Verstehen Sie mich nicht falsch, Malaria ist eine ernstzunehmende Krankheit. Jährlich erkranken laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) etwa 220 Millionen Menschen daran, 660.000 sterben, vornehmlich Kinder in den armen Regionen Afrikas. Ich möchte gerne davon ausgehen, dass Ärzte in Deutschland Reisende in Malariagebiete gut aufklären. In meinem Fall vor zwei Jahren wurden Risiken wie Depression zwar erwähnt, aber es war mehr ein Herunterrattern, ohne Informationen darüber, ob es in meinem Reiseziel Resistenzen gegen das eine oder andere Medikament gibt oder die Aussage, ob man Lariam vielleicht nur im Notfall nehmen sollte.

Kritiker mögen einwenden, insgesamt beträfen die schweren Nebenwirkungen nicht so viele Menschen. Aber wenn teilweise schon nach zwei Wochen der Einnahme permanente Schädigungen auftreten können, ist mir persönlich der Preis zu hoch. Dann nützt der Wechsel zu einem anderen Mittel auch nicht mehr viel. Letztlich muss natürlich jeder selbst abwägen, wie er das Risiko einschätzt, aber er sollte es sehr genau tun. Vor allem sollte man neben Medikamenten unbedingt auch an ein Moskitonetz denken, das ist der einfachste Schutz für die Nacht, wenn die Mücken kommen. (vsz)