Neue Urteile zum Abmahnungsmissbrauch

Aktuelle Entscheidungen der Landgerichte Bonn und München I erweitern die umstrittene Rechtsprechung zur Frage, wann eine Abmahnung als rechtsmissbräuchlich anzusehen ist.

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Von
  • Joerg Heidrich

Seit Jahren streiten Juristen um die Frage, unter welchen Gesichtspunkten eine Abmahnung als rechtsmissbräuchlich und damit unwirksam einzustufen ist. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll dies insbesondere dann der Fall sein, wenn das Schreiben "vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen". Neue Entscheidungen der Landgerichte Bonn und München I erweitern nun die bisherige Rechtsprechung zu diesem Thema um weitere Facetten.

So hatte das Landgericht (LG) Bonn (Az. 12 O 157/07) über einen Sachverhalt zu entscheiden, bei dem viele Anträge auf Erlass von einstweiligen Verfügungen gegen zahlreiche, an unterschiedlichen Orten des Bundesgebiets ansässige Firmen gestellt wurden. Thematisch handelte es sich im Wesentlichen um gleich gelagerte Sachverhalte. So machte die Antragstellerin in einem Zeitraum von zwei Wochen allein bei den Kammern für Handelssachen des Landgerichts Bonn rund ein Dutzend Verfahren anhängig. Nachdem das Gericht zunächst eine einstweilige Verfügung erlassen hatte, hob es diese wieder auf, da es das Vorgehen der Antragstellerin und von deren Rechtsanwalt als rechtsmissbräuchlich einstufte. Zudem verneinten die Richter die für ein Verfügungsverfahren notwendige Eilbedürftigkeit.

Nach Ansicht des Gerichts liegt es in Fällen, in denen ein mittelständisches Unternehmen in kürzester Zeit eine Vielzahl von Verfahren anstrebe, nahe, dass die Firma nur vorgeschoben sei, in Wahrheit jedoch die Interessen des Anwalts im Vordergrund stünden. Hierzu führte das Gericht aus, dass es mehr als fraglich sei, was die Firma veranlasst habe, "anstatt Motoren instand zu setzten, die Erfüllung von Hinweispflichten und dergleichen in Internetauftritten von Wettbewerbern in einer Vielzahl von Verfahren überprüfen zu lassen und mit nicht unerheblichem Kostenrisiko zum Gegenstand zahlreicher gerichtlicher Verfahren zu machen". Dies sei gewiss nicht das Kerngeschäft der Firma, wohl aber das des handelnden Rechtsanwalts. Dieser habe "nach der Aufstellung einiger Satzbausteine in einer Vielzahl von Verfahren" die Hoffnung haben können, "üppige Einkünfte zu erzielen, an die vermutlich derjenige teilweise beteiligt sein wird, der hier seinen Namen als Wettbewerber hergibt".

Mit zwei Fällen (1 und 2) von Gegenabmahnungen als Reaktion auf Abmahnungen hatte sich das LG München I zu befassen. Nach Ansicht der Robenträger sind derlei Retourkutschen zwar grundsätzlich zulässig. Dies gelte insbesondere für solche Fälle, in denen beide Parteien in einem direkten Wettbewerbsverhältnis stehen und das gegenseitige Verhalten regelmäßig beobachten. Eine Gegenabmahnung sei auch in den Fällen zulässig, in denen ein "gleichartiges und gleichwertiges Verhalten" mit dem Anwaltsschreiben angegriffen werde, also etwa ebenfalls eine unzulässige Klausel in den AGB moniert wird. Lägen diese Indizien jedoch nicht vor, so sei dies ein Anhaltspunkt dafür, dass eine Gegenabmahnung "lediglich als Vehikel zur Generierung eines Kostenerstattungsanspruchs" genützt werde und damit ein rechtsmissbräuchliches Verhalten vorliegt. (Joerg Heidrich) / (hob)