NSA: Tausende Verstöße gegen Regeln zur Überwachung – jedes Jahr

Laut einem Zeitungsbericht verstößt die NSA jedes Jahr tausendfach gegen die Vorschriften, die den Datenschutz von US-Amerikanern sichern sollen. Die zuständigen Kontrollorgane werden darüber nur wenig oder gar nicht informiert.

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Die NSA verstößt jedes Jahr tausendfach gegen die Regeln zur Einhaltung des Datenschutzes oder gerichtliche Anordnungen. Das berichtet die Washington Post und beruft sich auf einen internen Prüfbericht aus dem Jahr 2012, den die Zeitung von dem NSA-Whistleblower Edward Snowden erhalten habe. Demnach reichte das von "beachtlichen Verstößen" bis hin zu "Druckfehlern" durch die unbeabsichtigt E-Mails und Telefonanrufe abgefangen wurden. In einem Fall sei versehentlich eine "große Anzahl" von Telefonanrufen aus Washington D.C. abgefangen worden, als durch einen Programmierfehler die Vorwahl der US-Hauptstadt (202) mit der von Ägypten (20) verwechselt worden sei. Das sei im Wahljahr 2008 passiert und den verantwortlichen Kontrollorganen nicht mitgeteilt worden.

In einem anderen Fall habe die NSA große Mengen an internationalen Daten gespeichert, die über Glasfaserkabel in die USA gelangten. Davon sei das zuständige Geheimgericht FISC aber erst viel später unterrichtet worden. Das Gericht habe die Operation dann im Oktober 2011, Monate nach deren Beginn, für verfassungswidrig erklärt. Insgesamt sind demnach in den 12 Monaten bis Mai 2012 intern 2776 Verstöße gezählt worden, die meisten waren demnach unabsichtlich. Laut Washington Post beruhe etwa jeder zehnte der erkannten Verstöße auf einem Schreibfehler eines Analysten.

Tausende Verstöße jedes Jahr: Die NSA-Zentrale

(Bild: nsa.gov)

Der Prüfbericht, der der Meldung zugrunde liegt, führt demnach nur Verstöße aus dem NSA-Hauptquartier in Fort Meade und anderen Einrichtungen in der Umgebung von Washington auf. Drei anonyme Regierungsvertreter hätten gegenüber der Zeitung eingestanden, hätte man die anderen Einrichtungen der NSA einbezogen, wären die Zahlen "beträchtlich höher". In Dutzenden Fällen hätten NSA-Analysten auch anderswo unüberlegt die immense Macht der NSA ausgenutzt, berichtet die Zeitung weiter. So habe ein Team in Hawaii ein System namens DISHFIRE aufgefordert, jede Kommunikation zu sammeln, in der das schwedische Unternehmen Ericsson und die Wörter "radio" oder "radar" vorkommen. Damit könnten ohne Zweifel auch US-Amerikaner ausgeschnüffelt werden, obwohl das der NSA verboten ist.

In einem Statement gegenüber der Zeitung hat ein anonymer NSA-Offizieller erklärt, seine Behörde werde in "einer komplexen Umgebung voller Aufsichtsregeln" von Menschen geführt. Von Zeit zu Zeit finde man sich da auf der "falschen Seite der Linie" wieder. Und wenn man die Zahlen allein betrachte wirkten sie groß, aber wenn man das ins Verhältnis zu allen NSA-Aktivitäten setze, sehe es "etwas anders" aus.

In einem weiteren Dokument werde den Analysten erklärt, wie sie Verstöße an die Kontrollorgane melden sollen und welche Details außen vor gelassen werden sollen. Dazu passt, dass die Vorsitzende des Geheimdienstausschusses im US-Senat, Dianne Feinstein (Demokraten) erst eine Kopie des Berichts erhalten habe, nachdem die Washington Post diesbezüglich bei ihr angefragt hatte. Der Zeitung zufolge ist die Anzahl der gemeldeten Gesetzesverstöße in den halbjährlichen Berichten an den US-Kongress immer geschwärzt. Die unbearbeiteten Dokumente könnten Abgeordnete nur in speziellen Sicherheitsräumen einsehen. Aber nur 10 Prozent aller Abgeordneten beschäftigten überhaupt Mitarbeiter, die die nötige Sicherheitsstufe haben, um die Dokumente ebenfalls einzusehen und ihre Abgeordneten dann diesbezüglich beraten zu können.

In einer ersten Stellungnahme zu der neuerlichen Enthüllung schreibt die US-Bürgerrechtsorganisation ACLU (American Civil Liberties Union), es sei schwer zu verstehen, wie der Geheimdienst so oft gegen die überaus freizügigen Regeln verstoßen könne, die für ihre Arbeit gelten. Außerdem sei es ein wirkliches Problem, dass die Richter des geheimen FISC auf die Aussagen der Geheimdienstvertreter angewiesen sind. "Es macht überhaupt keinen Sinn, die Geheimdienste sich selbst beaufsichtigen zu lassen." (mho)