Endspurt der ISO-Abstimmung über Microsofts OOXML

Von Frankreich, Indien, Brasilien und Kuba ist bislang bekannt, dass sie die ISO-Standardisierung von OpenXML ablehnen. Die Schweiz will "Ja" sagen – wie hierzulande beim DIN gibt es aber Klagen über Unregelmäßigkeiten.

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Am heutigen Samstag endet die Möglichkeit für Mitgliedsländer der Internationalen Organisation für Normung (ISO), ihr Votum zur Standardisierung von Microsofts Office Open XML (OOXML) aus der ersten Abstimmungsrunde im September 2007 noch einmal zu ändern. Insgesamt 157 Staaten sind aufgerufen, über das so genannte Fast-Track-Verfahren zur ISO-Normierung des Dokumentenformats endgültig zu entscheiden und OpenXML eventuell doch noch zu den Weihen des Standardisierungsinstituts zu verhelfen.

Von Frankreich, Indien, Brasilien und Kuba ist bislang bekannt, dass sie die ISO-Normierung ablehnen. Vor allem von den Franzosen hatten sich die Redmonder Beobachtern zufolge zumindest eine Enthaltung erhofft. Doch laut einem Bericht der Zeitung Les Echos hat sich das französische Normierungsinstitut Afnor gegen OOXML ausgesprochen. Gerüchten zufolge soll Microsoft-Gründer Bill Gates aber persönlich darauf bestanden haben, dass Afnor heute noch einmal über die Spezifikation berät.

Als weitere Überraschung wird gewertet, dass die British Standards Institution (BSI) laut Medienberichten von einem "Nein" zu einem "Ja" zu OOXML umschwenken will. Nur noch IBM als starker Befürworter des bereits von der ISO zertifizierten Open Document Format (ODF) soll sich im britischen Standardisierungsinstitut gegen die Spezifikation Microsofts ausgesprochen haben. Auch die Schweizerische Normenvereinigung (SNV) will sich laut einem heise online vorliegenden Schreiben des Obmanns des zuständigen Gremiums UK14, Hans-Rudolf Thomann, für OOXML aussprechen. Ähnlich wie beim Abstimmungsprozess hierzulande beim Deutschen Institut für Normung (DIN) gibt es aber Klagen über Unregelmäßigkeiten.

So moniert die Free Software Foundation Europe (FSE) in einer Eingabe an die Mitglieder des Ausschusses, dass die "Mehrheit der aktiven Teilnehmer bei der technischen Analyse der vorgeschlagenen Spezifikation einen Konsens erreicht hat". Die Fehler in dem über 6000 Seiten umfassenden Standardisierungswerk könnten so laut dem Gremium nur zu einer Ablehnung von OOXML bei der ISO führen. Selbst wenn die Leitung der SNV aufgrund spezieller Quotenregelungen das "Nein" des Fachgremiums nicht akzeptiere, müsse es ihre Enthaltung an die ISO übermitteln. Es sei nicht statthaft, eigene Regeln aus dem Hut zu zaubern und OpenXML zu befürworten.

Thomann hält dem seine eigene Interpretation der Einspruchsberatung Ende Februar bei der ISO entgegen, wonach der Spezifikation Microsofts von allen Seiten zumindest keine Verschlechterung attestiert worden sei. Nur eine solche könne aber ein "Nein" rechtfertigen. Dass die zuvor von der SNV abgegebenen Verbesserungsvorschläge nicht alle hätten berücksichtigt werden können, tue dagegen nichts zur Sache. Das in der ersten Abstimmung abgegebene "Ja" sei unabhängig von den mit eingereichten Kommentaren "bedingungslos". Nur ein "Nein" hätte neu überdacht werden können. Einer Eingabe zur Änderung der Schweizer Haltung sei daher nicht zu folgen.

Einen mehr als eigenwilligen Führungsstil soll laut der Gazette polishlinux.org die Vorsitzende des für OOXML zuständigen technischen Ausschusses der polnischen Standardisierungsbehörde PKN, Elzbieta Andrukiewicz, an den Tag gelegt haben. Demnach habe sie einen Brief des Präsidenten der Behörde, Tomasz Schweitzer, unter den Tisch fallen lassen. Darin riet der PKN-Oberste angesichts der bestehenden Situation mit viel Für und Wider für OpenXML zu einer Enthaltung in der Endrunde. Zugleich soll sie die Gremiumsmitglieder über die Ergebnisse der Einspruchberatung mit einer PowerPoint-Datei "aufgeklärt" haben, als deren Autor ein Microsoft-Manager aus den Niederlanden gilt.

Nicht zuletzt ist davon die Rede, dass Andrukiewicz eine E-Mail-Abstimmung über das Votum Polens anberaumt habe. Dabei soll sie für sich behalten haben, dass jede nicht abgegebene Stimme automatisch als "Ja" gezählt wird. 24 Mitglieder des Ausschusses sollen so letztlich die ISO-Standardisierung von OOXML befürwortet haben, 7 davon ohne ihr eigentliches Zutun. 13 waren dagegen, 4 plädierten für eine Enthaltung.

Das DIN hat derweil das offizielle Abstimmungsergebnis des Lenkungsausschusses veröffentlicht. Demnach hat das Gremium mit einer sehr knappen Mehrheit von 7 zu 6 Stimmen bei 7 Enthaltungen den Prozessablauf der vorherigen Wahl im technischen Fachausschuss als regelgerecht anerkannt. Es habe keinen Grund gesehen, das zuvor erfolgte Ja-Votum aufzuheben. Das Institut betont, dass die fachliche Entscheidung des Arbeitsausschusses nicht zu prüfen und gegebenenfalls zu verwerfen gewesen sei und somit keine Möglichkeit zur kompletten Ablehnung von OOXML zur Wahl gestanden habe. Der hauptamtliche Mitarbeiter des DIN selbst, dessen Stimme entscheidend war und der eine Enthaltung Deutschlands verhinderte, habe sich an der Abstimmung beteiligt, da es nicht um inhaltliche Fragen gegangen sei. (Stefan Krempl)/ (gr)