Bundesrat Blocher räumt bei Schweizer Big Brother Awards ab [Update]

Bei den diesjährigen Schweizer Big Brother Awards wurde Christoph Blocher von der Schweizerischen Volkspartei gleich zweifach für die geplante Verschärfung des "Bundesgesetzes über Maßnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit" geehrt.

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Auch unsere Schweizer Nachbarn "ehren" die schlimmsten Datenschutzverletzungen jährlich mit den Big Brother Awards, die am heutigen Freitagabend in St. Gallen zum achten Mal vergeben wurden. An dem Tag, an dem die große Koalition im Deutschen Bundestag die Vorratsdatenspeicherung abnickte, wurden in der Schweiz die in Beton gegossenen Pokale in den Kategorien "Staat", "Business" und "Arbeitsplatz" sowie für ein "Lebenswerk" vergeben. Als Kontrastprogramm wurde ein Publikumspreis für besondere Verdienste gegen Überwachung und Kontrolle ausgelobt.

Die Liste der von der Öffentlichkeit nominierten Kandidaten ist lang; bis Ende August gingen beim Organisationskomitee über 100 Vorschläge ein. Über die Preisvergabe entschied eine neunköpfige Jury, der Journalisten, Gewerkschafter und Politiker angehören. Der Schauspieler Ernst Jenni führte durch die Veranstaltung und hielt die Laudatio.

Großer Gewinner des Abends war der Chef des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements, Bundesrat Christoph Blocher. Der umstrittene Politiker konnte die Konkurrenz in der Kategorie "Staat" hinter sich lassen und wurde für die geplante Verschärfung des "Bundesgesetzes über Maßnahmen zur Wahrung der inneren Sicherheit" gleich auch mit dem Preis für sein Lebenswerk bedacht. Der Entwurf, so begründet die Jury, sehe "massive Eingriffe in die Grundrechte" unter dem Deckmantel "präventiver Vorfeld-Ermittlungen" vor und damit "ohne konkreten Verdacht auf eine Straftat und ohne richterliche Überprüfung der Maßnahmen". Nominiert war auch der Stadtrat St. Gallen für "die geplante umfangreiche Videoüberwachung des öffentlichen Raumes".

In der Kategorie Business darf sich die Krankenkasse Helsana über ein Betonmännchen für die Trophäenvitrine freuen. Die Versicherung wurde von der Jury für ihr "System zur Wirtschaftlichkeitskontrolle von Leistungen in Pflegeheimen" geehrt, mit dem "Controller auch ohne Einwilligung der Betroffenen Einblick in sensible Patientendossiers erhalten". Die ebenfalls nominierten Großunternehmen Cablecom, Swisscom, UBS und Credit Suisse gingen diesmal leer aus.

Einen Doppelsieg in der Kategorie "Arbeitsplatz" landeten die Schweizerischen Bundesbahnen SBB gemeinsam mit dem Bundesamt für Verkehr BAV für "die Einführung von willkürlichen Drogen- und Alkoholtests bei den Angestellten des öffentlichen Verkehrs." Eine "lobende Erwähnung" ging in dieser Kategorie an den Dienstleister "Postlogistics", der von seinen Mitarbeitern "systematisch das Vorlegen eines Strafregisterauszugs" verlange. Der Jean Frey Verlag und die Firmen Aldi, Manor und McClean waren hier ebenfalls nominiert.

Für den Publikumspreis, der erst im Rahmen der Veranstaltung am Freitagabend bekannt gegeben wurde, waren der Schweizer Blogger Thomas "BloggingTom" Bruehwiler und die Organisatoren des Referendums gegen die St. Gallener Videoüberwachungspläne nominiert. [Update: Der nach Applausmessung am Abend vergebene Publikumspreis ging an BloggingTom.]

Die "Big Brother Awards" werden inzwischen in 16 Ländern vergeben. Bei der deutschen Preisverleihung Mitte Oktober wurden unter anderem das Schülerzentralregister der Freien und Hansestadt Hamburg, der Pharmakonzern Novartis und die Bahn AG ausgezeichnet. Die Österreicher vergaben ihre Big Brother Awards zwei Wochen später unter anderem an den Vorsitzenden des ETSI-Komitees "Lawful Interception", Peter van der Arend, den Erfinder und Autor der "CSI"-Fernsehserien, Anthony E. Zuiker, und den Obmann der Wiener Taxi-Innung, Heinrich Frey. (vbr)