"Es ist wie ein Schneeball-Effekt"

Alex Haigh störte, dass viele Menschen ständig nach ihrem Smartphone greifen, während sie mit anderen reden. Also startete der 23-jährige Australier die Kampagne "Stopphubbing" - und löste eine Lawine aus.

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Von
  • Robert Thielicke

Alex Haigh störte, dass viele Menschen ständig nach ihrem Smartphone greifen, während sie mit anderen reden. Also startete der 23-jährige Australier die Kampagne "Stopphubbing". Mittlerweile hat sie weltweit Unterstützer.

Technology Review: Guten Abend, Herr Haigh. Wie geht es Ihrer Kampagne?

Alex Haigh: Oh, gut. Ich habe nie gedacht, dass sie diese Reichweite haben würde. Allein in den vergangenen 24 Stunden kamen mehr als 1000 Likes auf Facebook hinzu. Es ist wie ein Schneeball-Effekt, mir schreiben Leute aus Südafrika, Singapur oder Indien. Ich Moment komme ich zu fast nichts anderem mehr als Emails zu beantworten. Ich habe mir übrigens gerade die Statistik bei Google Analytics angeschaut. Die meisten Besucher der Seite kommen aus Deutschland.

TR: Mal schnell auf Facebook seinen Status updaten, die neuesten Nachrichten auf dem Smartphone checken. Was stört Sie daran?

Haigh: Menschen greifen selbst mitten in einer Unterhaltung zu ihrem Handy. Sie glauben, sie könnten zwei Dinge gleichzeitig tun. Das aber glaube ich nicht. Man spricht also mit Menschen, die eigentlich etwa anderes tun. Das nervt. Einige Studien sind sogar zu dem Schluss gekommen, dass Phubbing Beziehungen zerstört.

TR: Telefonieren gehört für Sie auch dazu?

Haigh: Ja, jede Interaktion mit dem Telefon anstatt mit den Menschen um einen herum. Natürlich ist es OK, einen Anruf entgegen zu nehmen, es könnte ja etwas Wichtiges sein, ein Notfall beispielsweise. Manche jedoch telefonieren ständig, wenn man mit ihnen zusammen ist.

TR: Gab es einen Moment, an dem Sie gesagt haben: jetzt reicht es?

Haigh: Nein, der Ärger hat sich eher langsam aufgebaut. Warum es mir irgendwann zu viel wurde, liegt vielleicht daran, dass ich lange in Cafes gearbeitet habe. Ich war einer Menge Phubbing ausgesetzt, während ich hinter dem Tresen stand.

TR: Und Sie selbst? Phubben Sie?

Haigh: Oh ja. Absolut. Ich glaube, jeder, der ein mobiles Telefon besitzt, tut es. Ich für meinen Teil glaube allerdings, dass ich ganz gut darin bin, es sein zu lassen.

TR: Ich frage, weil es eine erstaunliche Diskrepanz gibt. Auf Ihrer Homepage sprechen sich 87 Prozent gegen Phubbing aus. Wenn es aber alle diese Leute tatsächlich darauf verzichten würden, gäbe es wohl kein Problem.

Haigh: Stimmt. Viele wollen glauben, dass sie nicht phubben. Aber sie tun es. Mobile Telefone geben einem die Möglichkeit, sich in aller Öffentlichkeit ins Private zurückzuziehen. Man kann vor unangenehmen Situationen fliehen. Dazu ist nicht einmal ein Smartphone nötig, obwohl die Geräte natürlich besonders verführerisch sind. Aber schon auf einem normalen Handy kann man ständig nach neuen SMS schauen oder Spiele spielen. Die vielen Reaktionen aus ärmeren Ländern zeigen, dass es keineswegs ein reines Smartphone-Problem ist.

TR: Dann wird es mit Google Glass wahrscheinlich noch schlimmer.

Haigh: Google Glass ist cool, aber es wird in der Tat noch eine weit größere Debatte um das Phubbing auslösen. Mit ihr könnte man es schließlich andauernd tun. Man muss nicht einmal mehr sein Handy aus der Tasche holen. Der Gegenüber würde aber trotzdem merken, das er mit einem spricht, der eigentlich gerade etwas anderes tut.

TR: 13 Prozent dagegen scheinen Phubbing gut zu finden. Jedenfalls stimmten sie auf ihrer Homepage entsprechend ab.

Haigh: Einige bezeichnen meine Kampagne sogar als Protest gegen die Technologie an sich. Das ist sie nicht. Ich liebe mein iPhone. Ich denke aber, wir sollten über die sozialen Auswirkungen von Smartphones diskutieren.

TR: Vielleicht ist Phubbing auch einfach nur eine neue soziale Norm, an die wir uns gewöhnen müssen? Wege, dem anderen zu zeigen, das man eine Unterhaltung gerne beenden möchte, gab es schließlich schon immer.

Haigh: Das kann sein, aber genau darüber müssen wir diskutieren. Wir haben den Smartphones eine wichtige Stelle in unserem Leben gegeben. Aber wie wir auf sozialer Ebene damit umgehen wollen, haben wir noch nicht geklärt. Die Menschen werden jedoch Lösungen finden. Von einem Besucher der Kampagnenseite kam beispielsweise folgender Vorschlag: Beim Restaurantbesuch kommen alle Handys auf den Tisch. Wer zuerst danach greift, zahlt die Rechnung. (rot)