Heizen mit Hertz

Das Dresdner Start-up AoTerra installiert Server in Privathäusern, heizt mit der Abwärme der Prozessoren die Zimmer und verkauft dann die Rechenleistung als Cloud. Genial oder gewagt?

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Von
  • Jens Lubbadeh

Das Dresdner Start-up AoTerra installiert Server in Privathäusern und heizt mit der Abwärme der Prozessoren die Zimmer. Die Rechenleistung verkauft es dann als Cloud.

Es gibt Ideen, die lösen sofort den „Na klar!“-Reflex aus. Und dann den „Warum ist darauf eigentlich noch nie vorher jemand gekommen?“-Reflex. René Marcel Schretzmann, klein, Brille, forsch, hat es also leicht, wenn man ihn fragt, was er macht: „Wir heizen. Mit Servern“, sagt er dann ganz trocken. Heizen mit Servern. Ja, Mensch, na klar! Die Idee hat auch die Massen schon überzeugt: Als erste deutsche Firma sammelte das Dresdner Start-up AoTerra via Crowdfunding eine Million Euro ein. Einer, der total überzeugt ist, ist Matthias Kutschmar. Berlin. Nicht Prenzlauer Berg, nicht Pankow, sondern weiter weg vom Zentrum: Niederschönhausen. Es ist nett hier, viel Grün, ruhig, schöne Villen. Hier hat Kutschmar gerade ein Haus gebaut, in einer Straße, die noch keinen Namen, sondern noch eine Nummer hat. Stolz öffnet er uns die Tür. Wenn auf einen die Bezeichnung Bauherr zutrifft, dann auf ihn.

Sechs Jahre lang hat der Gastronom sich auf den Hausbau vorbereitet, mit Hingabe Fliesen, Parkett, Fensterrahmen, Handläufe ausgewählt. Doch was sein Haus so besonders macht, steht im Gäste-WC im Erdgeschoss: zwei schwarze regalgroße Metallschränke, auf denen in roten Plastiklettern „AoHeat“ steht, daneben ein stilisierter Heizwedel. Ein wenig erinnern sie an den perfekten schwarzen Monolithen aus „2001“, den eine außerirdische Macht auf die Erde geschickt hat, um den Urmenschen Intelligenz zu bringen. So weit will Schretzmann zwar nicht gehen, aber intelligent ist die Lösung von AoTerra allemal. Das hier ist Kutschmars Heizung: zwei Serverschränke.

Der Name ist kein Zufall: Ao ist maorisch und heißt Wolke, Terra, lateinisch, bedeutet Erde. Cloud-Computing trifft Sanitärgewerbe, AoTerra will diese beiden Welten verbinden. Für Rechenzentren ist die Abwärme ihrer Server ein Problem, mit viel Aufwand kühlen sie die herunter. Dass es Menschen geben könnte, die die Wärme brauchen, auf diese Idee kam niemand. Bis vorletztes Jahr, als der Dresdner Christof Fetzer gerade mitten in der Bauphase seines Hauses war – genau wie Matthias Kutschmar. Fetzer, Professor für Systemdesign an der TU Dresden, war auf der Suche nach einer guten Heizungslösung für sein Haus. Gas? Nicht zukunftssicher genug. Fernwärme? Nicht möglich an seinem Standort. Moment mal, dachte sich Fetzer: Ich kenne da eine Wärmequelle – unsere Instituts-Server!

(jlu)