Börse: Regulierung des Hochfrequenzhandels stockt

An den Börsen häuften sich zuletzt die Pannen. So stand vergangene Woche die US-Börse Nasdaq für mehrere Stunden still. Als eine der Ursachen für die Pannenserie gilt der von Computern getriebene Handel. Diesen zu zähmen, ist nicht so einfach.

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Von
  • Lutz Alexander
  • dpa

Der schnelle Computerhandel an den Börsen ist der Politik ein Dorn im Auge – gilt er doch bei vielen als einer der Gründe für die Finanzkrise. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) preschte deshalb nach vorne. Deutschland will als erste Nation der Europäischen Union das Tempo an den Börsen drosseln. Seit dem 15. Mai gibt es hierzulande ein Gesetz, das den superschnellen Handel zähmen soll – doch es kann seine Wirkung noch nicht entfalten. Es gelten Übergangsfristen. Und es ist weiterhin umstritten, ob das Gesetz überhaupt sinnvoll ist. In einem Punkt sind sich Experten aber einig: Ein Alleingang Deutschlands bringt auf Dauer wenig.

"Da die neuen Regeln nur für Deutschland gelten, werden sie einfach zum Abwandern der lukrativen High-Frequency-Kunden an andere Börsenplätze führen", sagt Bernhard Langer, Anlagestratege bei der Fondsgesellschaft Invesco. "Was wir also brauchen, ist eine multinationale Regulierung dieses Problems." Langer spielt damit zum Beispiel auf den Blitz-Crash im Mai 2010 an, als der US-Leitindex Dow Jones innerhalb kurzer Zeit fast 1000 Punkte verlor und sich danach fast wieder genauso schnell erholte. Hochfrequenzhändler stehen im Verdacht, diesen Kurssturz zwar nicht ausgelöst, aber doch verstärkt zu haben.

Auch Rechtsanwalt Vinzenz Bödeker von der Wirtschaftskanzlei Heuking Kühn Lüer Wojtek befürchtet nach dem Alleingang Schäubles Abwanderungsbewegungen – zum Nachteil des Börsenplatzes Frankfurt. Zu seinen Klienten zählen einige der scheuen Hochfrequenzhändler, die im Verborgenen agieren und nun für so viel Aufsehen sorgen. Laut Recherchen der Börsen-Zeitung betrifft das neue Gesetz ohnehin wahrscheinlich nur 17 Mitglieder der Frankfurter Wertpapierbörse.

Dennoch stehen gewaltige Summen auf dem Spiel: "An der Deutschen Börse werden etwa 40 bis 50 Prozent aller Handelsumsätze von Hochfrequenzhändlern generiert", sagt Bödeker. Bei einem jährlichen Handelsvolumen von zuletzt rund einer Billion Euro an der Börse in Frankfurt, entspricht dies einer Summe von 400 Milliarden bis 500 Milliarden Euro. Für etwa 70 Prozent dieser Erlöse wiederum seien Turbo-Händler aus dem Ausland verantwortlich.

Und spätestens hier werden die Probleme bei der Umsetzung des Gesetzes offenbar. Bödeker befürchtet, dass für viele ausländische Hochfrequenzhändler der Antrag auf eine Lizenz in Deutschland schnell zur Last werden kann. So müssen ein Geschäftsplan erstellt und umfassende Maßnahmen zur Verhinderung von Geldwäsche und zur Gewährleistung des Datenschutzes nachgewiesen werden.

Zudem bleibt noch offen, wie genau den Turbo-Händlern auf die Finger geschaut werden soll. Hintergrund ist, dass sie oft innerhalb Bruchteilen von Sekunden einen Großteil ihrer Aufträge sofort wieder zurückziehen, ohne tatsächlich Aktien zu kaufen oder zu verkaufen – nur um zu testen, wie hoch Angebot und Nachfrage sind und in welche Richtung sich der Aktienkurs voraussichtlich bewegt. Und diesen Wissensvorsprung nutzen sie dann für sich aus, indem sie billig einkaufen und teuer verkaufen – oder umgekehrt, wenn sie auf fallende Kurse setzen.

Deshalb fordert das Hochfrequenzhandelsgesetz ein angemessenes Verhältnis zwischen Handelsaufträgen und tatsächlich ausgeführten Geschäften. Was aber genau darunter zu verstehen ist, darüber gehen die Meinungen auseinander. Wegen der Brisanz des Themas hat sich auch die EU-Kommission der Sache angenommen. Mit ersten Ergebnissen aber ist aber erst frühestens 2015 zu rechnen. Bis dahin dürften die Argumente pro und contra Hochfrequenzhandel weiter im Raum stehen.

"Typische Hochfrequenzhändler verhindern insbesondere im Aktienhandel einen für alle Marktteilnehmer fairen Handel", meint etwa der Fondsverband BVI. Stefan Mai von der Deutschen Börse hält dem entgegen, dass der Hochfrequenzhandel eine wichtige Rolle für effiziente Kapitalmärkte spiele und in seiner Wirkung von volkswirtschaftlicher Bedeutung sei. (anw)