Kanzlei mahnt wegen unerwünschter Unterlassungserklärung ab

Ein Internetnutzer soll über 400 Euro an die Anwälte eines Inhabers von Urheberrechten zahlen, obwohl er sich durch eine vorsorglich abgegebene Unterlassungserklärung gerade vor solchen Gebühren schützen wollte.

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Von
  • Peter Mühlbauer

Ein Internet-Nutzer hat einer Anwaltskanzlei gegenüber eine präventive (vorsorgliche) Unterlassungserklärung in Bezug auf eine Urheberrechtsverletzung zugehen lassen. Daraufhin erhielt er nun von dieser Kanzlei eine Abmahnung samt saftiger Kostennote, obgleich die besagte Urheberrechtsverletzung dort gar nicht bekannt geworden war.

Das klingt zunächst ausgesprochen skurril und ist auch nur aufgrund einiger Besonderheiten des deutschen Zivilrechts möglich – abgesehen davon spricht es für den besonderen Einfallsreichtum der betreffenden Kanzlei.

Bei einer Abmahnung, etwa wegen Urheberrechtsverletzungen über Filesharing-Systeme, schicken Anwälte eine strafbewehrte Unterlassungserklärung mit, die der Abgemahnte unterschreiben soll. Darin verpflichtet er sich, eine bestimmte Rechtsverletzung künftig zu unterlassen und in dem Fall, dass er sie dennoch wiederum begehen sollte, eine vereinbarte (hohe) Vertragsstrafe zu zahlen.

Nur eine solche strafbewehrte Erklärung gilt juristisch als Absicherung gegen eine Wiederholungsgefahr. Was der Rechtsverletzer sich dadurch erspart, ist eine einstweilige Verfügung, die der Mandant des abmahnenden Anwalts als Inhaber der verletzten Rechte ansonsten bei Gericht gegen ihn erwirken könnte – durch das Vorliegen der unterschriebenen Erklärung erübrigt sich diese.

Da die Abmahnung auf diese Weise dem Abgemahnten nutzt, indem sie ihm beispielsweise ein teures Verfügungsverfahren erspart, muss er die anwaltlichen Gebühren dafür bezahlen, und zwar nach dem Grundsatz der "Geschäftsführung ohne Auftrag" (§§ 677 ff. BGB).

Wenn jemand den Eindruck hat, dass demnächst vielleicht eine Abmahnung bei ihm eintrifft, kann er die Initiative ergreifen und sich Abmahngebühren ersparen, indem er selbst eine präventive Unterlassungserklärung gegenüber demjenigen, dessen Rechte er verletzt haben könnte, abgibt. Darin erklärt er dann beispielsweise, dass er es künftig unterlässt, den Musiktitel X über das Internet zu verbreiten.

Damit kann er sich zwar immer noch nicht davor schützen, gegebenenfalls eine Abmahnung zu erhalten – allerdings kann der abmahnende Anwalt die Gebühren dafür dann nicht mehr auf Grundlage der "Geschäftsführung ohne Auftrag" von ihm einstreichen.

Was bleibt, ist gegebenenfalls ein Anspruch des Rechteinhabers auf Schadenersatz. Allerdings ist es schon durch die oft schwierige Beweislage nicht allzu wahrscheinlich, dass etwa ein Musikverlag einen solchen Anspruch gegen einen Tauschbörsenteilnehmer vor Gericht durchsetzt.

Davon, dass ein konkretes Abmahnrisiko besteht, können Filesharing-Nutzer beispielsweise dadurch erfahren, dass sie eine Einstellungsverfügung von der Staatsanwaltschaft erhalten. Das bedeutet nämlich, dass jemand sie wegen der Verletzung von Rechten angezeigt hat, dass ihre Nutzerdaten ermittelt und wahrscheinlich an den Rechteinhaber herausgegeben wurden, die Ermittlungsbehörde aber anschließend das Verfahren eingestellt hat. Auch eine Beschuldigtenvernehmung bei der Polizei oder eine Hausdurchsuchung weisen natürlich darauf hin, dass eine Abmahnung blüht. Möglich ist ebenso, dass Personen in Internet-Foren davon lesen, dass andere Leute für das unberechtigte Anbieten eines Film, einer Reihe von Musikstücken oder anderer Werke abgemahnt wurden, die sie selbst mit einem chainingfähigen P2P-Client heruntergeladen und damit automatisch auch anderen Netzteilnehmern verfügbar gemacht haben. Um dann den Anwälten der berührten Rechteinhaber in die Suppe zu spucken und sie zumindest um die Gebührenfrüchte ihrer zu erwartenden Abmahnung zu bringen, wählt mancher den Weg der präventiven Unterlassungserklärung.

Der oben angesprochene Internet-Nutzer hatte der Rechteinhaberin M. über deren Anwaltskanzlei S. eine solche Erklärung zugestellt. Die Anwälte reagierten jedoch in überraschender Weise: Sie schickten dem Internetnutzer eine neu formulierte Unterlassungserklärung zu, in der dieser sich verpflichten sollte, künftig keine "Unterlassungserklärungen oder sonstige Schreiben an [M.] oder deren Bevollmächtigte [S.] ohne begründeten oder sonstwie rechtfertigenden Anlass selbst oder durch Dritte zu versenden oder versenden zu lassen." Für diese Abmahnung, die Telepolis in Kopie vorliegt, verlangte die Kanzlei 411 Euro und 30 Cent.

Auf Deutsch: Die Rechtsverletzung, um die es jetzt geht, hat nichts mehr mit Urheberrecht zu tun, sondern es geht um die von der Kanzlei unerwünschte präventive Unterlassungserklärung.

In dem beiliegenden Schreiben sprechen die Anwälte davon, dass man nach Zugang der Erklärung nach einem dazu passenden Vorgang gesucht und ihn nicht gefunden habe. Dadurch sei ein Schaden entstanden, insofern müsse die Zusendung als "rechtswidriger und schuldhafter Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb" ihrer Mandantin gelten.

Ein Schelm, wer hier jetzt vermuten wollte, dass gewissermaßen ein Ersatz für den nicht mehr anzubringenden Anspruch auf Abmahngebühren wegen der fraglichen Urheberrechtsverletzung gesucht wurde. Wenn das Zusenden unerwünschter Unterlassungserklärungen selbst auch eine abmahnwürdige Rechtsverletzung darstellt, wäre der Weg, auf diese Weise Abmahngebühren zu vermeiden, für Tauschbörsennutzer praktisch versperrt. Allerdings gibt es zu dergleichen Fällen noch keinerlei Rechtsprechung, und man darf bezweifeln, dass ein solcher behaupteter Unterlassungsanspruch in Bezug auf die Zusendung von Unterlassungserklärungen vor einem Zivilgericht Bestand hätte. Der Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb ist das unternehmensbezogene Gegenstück zur Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts – und ebenso schwammig zu fassen wie diese. (pem)