Grün-Rot sucht Wege aus der Solar-Krise

Die Energiewende gehört zum Herzstück grüner Politik. Deshalb sucht die grün-geführte Koalition in Stuttgart nach Möglichkeiten, den darbenden Solarmarkt zu stützen. Ein Zertifikat könnte helfen.

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Von
  • Ingo Senft-Werner
  • dpa

Die Krise in der Solarbranche macht den Grünen zu schaffen. Sollte diese Technik in Deutschland keine Zukunft haben, stünde auch die Energiewende zur Debatte. Die von Winfried Kretschmann (Grüne) geführte grün-rote Koalition in Baden-Württemberg sucht deshalb nach Wegen, die Branche wieder wettbewerbsfähig zu machen. Die Spanne reicht vom Bau einer riesigen Produktionsanlage bis zu einem Qualitätszertifikat für Photovoltaikanlagen, um Produkte "Made in Germany" zu schützen.

Das Freiburger Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme (ISE) soll diese Möglichkeiten durchspielen. "Der weitere Ausbau der Photovoltaik in Baden-Württemberg ist ein wichtiger Grundpfeiler der Energiewende im Land", heißt es im Auftrag des Umweltministeriums. Im Südwesten gibt es nach einer Zählung von 2012 etwa 255.000 Solaranlagen mit einer installierten Leistung von 4200 Megawatt. Ihr Anteil an der Bruttostromerzeugung betrug 7,3 Prozent. Um das ehrgeizige Ziel zu erreichen, möglichst schnell auf fossile Brennstoffe zu verzichten, sind also noch einige Anstrengungen nötig.

Doch wie verhindert man, dass Kunden zu den kostengünstigen Anlagen aus Fernost greifen, und dass damit China indirekt vom Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) profitiert? Schutzzölle wie in den USA wären eine Lösung gewesen, sagt der Leiter Energiepolitik vom Fraunhofer ISE, Gerhard Stryi-Hipp. Doch: "Deutschland und die europäische Union sind lange untätig geblieben." Der jetzt gefundene Kompromiss, einen Mindestpreis für Photovoltaikmodule festzulegen, sei immerhin ein richtiger Schritt.

Es müsste allerdings noch mehr möglich sein. Den Grünen schwebt vor, Qualitätsstandards für Photovoltaikanlagen festzuschreiben, "die eine hochwertige energetische Nutzung der verfügbaren Flächen sowie die technische Langlebigkeit der Produkte sicherstellt". Gleichzeitig soll darauf geachtet werden, ob die Anlagen auch ressourcenschonend und umweltfreundlich hergestellt und entsorgt werden.

All diese Kriterien könnten in ein Qualitätszertifikat gegossen werden, welches zur "notwendigen Bedingung für die Vergütung der vollen Einspeisevergütung für PV-Strom nach EEG" erklärt wird. Die Hoffnung des Ministeriums: "Baden-Württemberg könnte als Vertreter für eine hochwertige Photovoltaik auch wieder als Produktionsstandort für Module und hochwertige Ausrüsteranlagen eine Rolle spielen."

Eine Idee, die dem Geschäftsführer des Solar Clusters Baden-Württemberg, Jann Binder, gefällt. "Wir brauchen eine Lösung, damit die Fördergelder für die Energiewende im Land oder wenigstens in Europa bleiben." Das heißt: EEG-Förderung soll nur bekommen, wer Anlagen aus deutscher oder europäischer Fabrikation nutzt. "Aber da geht die EU wohl nicht mit", befürchtet Binder.

Als zweiter Weg bleibt, den Wettbewerb anzunehmen. Die Personalkosten bei der Herstellung kristalliner Produkte belaufen sich nur auf etwa 18 Prozent. Ob eine europäische Produktion den Chinesen Paroli bieten kann, ist für Stryi-Hipp deshalb nur eine Frage der Größenordnung. "Eine moderne Fabrik mit einem jährlichen Ausstoß von Solarstrommodulen mit einer Gesamtleistung von über 1000-Megawatt könnte zu wettbewerbsfähigen Preisen produzieren."

Gebaut werden könnte eine solche Anlage von einem europäischen Konsortium nach dem Airbus-Modell – am liebsten natürlich in Baden-Württemberg. "Die Rückkehr einer günstigen, aber qualitativ hochwertigen Massenproduktion von Photovoltaikanlagen ist ein überaus erstrebenswertes Ziel", schreibt das Umweltministerium.

Zu den Trümpfen des Landes gehört der Maschinenbau. "Die Hälfte aller Maschinen für die Produktion von Sonnenkollektoren weltweit kommt aus Deutschland, und davon wieder die Hälfte aus Baden-Württemberg", sagt Binder. Unterstützt wird die Industrie von einer dichten Forschungslandschaft. Das Fraunhofer ISE ist mit 1300 Forschern das größte seiner Art in Europa. Mit dem Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung (ZSW) in Stuttgart kommt noch ein Experte für Dünnschicht-Photovoltaik hinzu.

Zurzeit allerdings leiden sie alle unter der Krise. Für Stryi-Hipp lautet deshalb die Frage: "Wie schaffen es deutsche Firmen und Forschungseinrichtungen, die Zeit bis zum nächsten Aufschwung zu überleben?" Die Antwort: mit staatlicher Hilfe. So zahlt das Ministerium für die beiden Studien knapp 100.000 Euro. (anw)