BKA-Chef Ziercke gegen Befristung heimlicher Online-Durchsuchungen

Der Präsident des Bundeskriminalamts, Jörg Ziercke, hat sich gegen eine Auslaufklausel für die geplanten neuen Befugnisse seiner Behörde ausgesprochen und sieht Deutschland stärker ins Fadenkreuz islamistischen Terrors rücken.

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Der Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), Jörg Ziercke, hat sich gegen eine Auslaufklausel für geplante neue Befugnisse seiner Behörde wie die heimliche Online-Durchsuchung ausgesprochen. Er sehe keine Notwendigkeit dafür, die vom Bundeskabinett bereits beschlossene Novelle des BKA-Gesetzes auf fünf Jahre zu befristen und eine Evaluierung der umfassenden erweiterten Kompetenzen festzuschreiben, sagte Ziercke dem Berliner Tagesspiegel. Andernfalls bekäme man "wieder eine neue Misstrauensdebatte". Es werde sich auch so im Lauf der Zeit zeigen, wie die neuen Regelungen tatsächlich angewendet werden. Das Kriterium der Häufigkeit könne dabei jedenfalls "kein Maßstab sein". Ziercke hatte zuvor immer wieder betont, dass etwa das Instrument verdeckter Online-Durchsuchungen nur circa ein Dutzend mal im Jahr eingesetzt werde.

Generell ist der SPD-Mann durchaus dafür, dass man die Befugnisse und Instrumente der Polizei immer wieder sachlich auf den Prüfstand stellen muss. Nur bei der heftig umstrittenen Änderung des BKA-Gesetzes, die vielen seiner Parteigenossen Bauchschmerzen bereitet und daher Forderungen nach einer Befristung in der SPD-Bundestagsfraktion hat laut werden lassen, will Ziercke nicht mit sich reden lassen, da "wir im konkreten Einzelfall brauchbare Instrumente zur Verhinderung der Terrorgefahr benötigen". Die Debatte über die im Raum stehenden neuen Lizenzen etwa auch für bundesweite Rasterfahndungen, große Lausch- und Spähangriffe oder präventive Telekommunikationsüberwachungen durch das BKA wertete der Chef der Wiesbadener Behörde als Zeichen für "eine hohe Sensibilität für die Grundrechte" hierzulande. "Ich habe nur Probleme damit, wenn man uns mit den Geheimdienstapparaten der NS- oder DDR-Zeit vergleicht."

Den besonders umkämpften Zugriff auf informationstechnische Systeme bezeichnete Ziercke einmal mehr als unerlässliches Mittel im Kampf gegen Terroristen. "Bei der Festnahme der 'Sauerland-Gruppe' haben wir im Computer des Hauptverdächtigen eine verschlüsselte Datei gefunden, an deren Inhalt wir nicht herankamen", begründete der Ermittler sein Anliegen. Mit einer Online-Razzia und Zugriffsmöglichkeiten vor einer Verschlüsselung hätten die Sicherheitsbehörden "die Daten damals gehabt und das Netzwerk wahrscheinlich weiter aufklären können". So sei es allein möglich gewesen, "die Gefahrenspitze zu kappen". Geholfen hätte beim Vorgehen gegen die Anschlagplaner im vergangenen Jahr zudem laut Ziercke die Möglichkeit, im Zusammenhang mit dem Einsatz des so genannten Bundestrojaners auch heimlich in Wohnungen einzudringen. Dies sieht der Kompromiss innerhalb der großen Koalition auf Bundesebene aber nicht vor.

Zur Bedrohungssituation führte der BKA-Präsident aus, dass inzwischen mehr als 50 Islamisten aus Deutschland in den Trainingslagern der Islamischen Jihad Union (IJU), Taliban und Al-Qaida gedrillt worden seien. "Ein Teil dieser Personen, allerdings nur eine einstellige Zahl, ist inzwischen nach Deutschland zurückgekehrt", warnte Ziercke. Sie seien zu den knapp 100 "Gefährdern" zu rechnen, die sich nach Kenntnissen der Sicherheitsbehörden hierzulande aufhalten. Angesichts der Verlautbarungen von Al-Qaida und IJU zeigte sich Ziercke zugleich "davon überzeugt, dass man beschlossen hat, Anschläge auch in Deutschland zu begehen". Es gebe zurzeit aber keine konkreten Hinweise auf bevorstehende Attentate, beließ es der BKA-Mann letztlich bei der der Bevölkerung immer wieder vor Augen geführten "abstrakten Gefährdungslage".

Der Entwurf für die BKA-Novelle wird derzeit im Bundestag beraten. Mitte September steht eine Expertenanhörung im Parlament an, auf deren Basis Union und SPD ihre Änderungsanträge gestalten wollen. Die Oppositionsfraktionen lehnen das Vorhaben wegen der damit einhergehenden tiefen Eingriffe in die Grundrechte und einer befürchteten weiteren Verschmelzung von Polizei und Geheimdiensten entschieden ab. Zugleich gibt es auf Länderebene nach Bayern etwa in Hamburg und im Saarland Bestrebungen, Befugnisse für heimliche Online-Durchsuchungen einzuführen.

Zu den Auseinandersetzungen um die Terrorismus-Bekämpfung, die erweiterte Anti-Terror-Gesetzgebung, die Anti-Terror-Datei sowie die Online-Durchsuchung siehe auch:

(Stefan Krempl) / (jk)