Kommentar: Microsoft geht den Apple-Weg

Microsoft baut sich zum Gerätehersteller um. So richtig überraschend ist das nicht, die Spekulationen sind ja so alt wie der Wechsel des Microsoft-Managers Stephen Elop in die Nokia-Führung. Und jetzt stimmte auch der Preis.

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Gerade mal 5,4 Milliarden US-Dollar zahlt Microsoft für Nokias Handy- und Service-Geschäft, das entspricht ungefähr einem Quartalsgewinn und ist weitaus weniger als die 12,5 Milliarden, die Google für Motorola hinlegen musste. Und: Nokia ist immer noch der zweitgrößte Handy-Hersteller der Welt, wogegen Motorola in den Top-10 nicht einmal auftaucht. Da tun sich zwei zusammen, die in der modernen Smartphone-Welt noch nicht so richtig reüssieren konnten – jetzt will es Microsoft alleine stemmen?

Auch wenn der Kaufpreis für Nokias Kerngeschäft nach einem Schnäppchenpreis klingt, geht Microsoft eine riskante Wette auf die ferne Zukunft ein. Laut Angaben für die Analysten will man zwar in wenigen Jahren im Plus sein, aber in den Zahlen stecken sehr viele "Vielleichts": Demnach verdient Microsoft derzeit "<$10" an einem Handy, will das aber auf ">$40" steigern – durchaus realistisch. Bei einem Kaufpreis von 5,4 Milliarden wären das 135 Millionen Smartphones. Microsoft selbst spricht aber vom Break Even bei 50 Millionen Geräten, was selbst dann 76 US-Dollar pro Gerät sind, wenn man es nur auf die 3,79 Milliarden US-Dollar Kaufpreis für die Handy-Fertigung umrechnet und die 1,65 Milliarden für Patente und Lizenzen ignoriert. Im zweiten Quartal verkaufte Nokia etwa 7 Millionen Windows-Phones – 50 Millionen Geräte kommen somit in weniger als zwei Jahren zusammen, für 135 Millionen würde Microsoft bei gigantischem Wachstum drei Jahre brauchen, eher aber vier oder (wenn es schlecht läuft) fünf.

Gut sieht es Richtung der "nächsten Milliarde" aus, von der Nokia schon immer erzählt hat: Telefone in Entwicklungs- und Schwellenländern. Dort gehen derzeit vor allem Handys weit unter 50 US-Dollar mit alten Symbian-Versionen gut, Nokia hatte im vorigen Quartal über 50 Millionen Stück davon verkauft (allerdings ohne Angabe, wie viele davon in welchen Regionen). Wenn Microsoft dort den eigenen Namen draufschreibt, dürfte das zumindest dem dortigen Image gut tun, das vielleicht dank der Aktivitäten von Bill Gates gar nicht mal so schlecht ist. Und wenn man dann Windows-Phones im Preis ordentlich drückt oder gar quasi mit einem weiteren Quartalsgewinn subventioniert, könnte Microsoft wichtige zukünftige Marktanteile gegen Android (oder dem in diesen Preisregionen auch mit dem spekulierten Billig-iPhone chancenlosen Apple) sammeln.

Dann fehlen noch die Apps – es dürfte nicht reichen, die bei Nokia sitzenden Kritiker einfach aufzukaufen und rauszuwerfen, sondern es müssen echte Taten folgen. Eine riesige Entwicklergemeinde hätte Microsoft ja, aber die lässt sich bisher nicht so recht zu Phone-Anwendungen überreden, auch für die Tablets sieht es noch mau aus. Da muss Microsoft wohl noch ein paar Quartalsgewinne investieren...

Jedenfalls hat Microsoft sich eine riesige Aufgabe vorgenommen und will sie explizit alleine packen. Android gelingt der Erfolg genau anders herum durch das Zusammenspiel vieler Ideengeber: Google schreibt das Betriebssystem, Samsung baut die erfolgreichsten Handys, die Google-Tochter Motorola übernimmt explizit keine Sonderrolle, sondern arbeitet als Ideengeber. Googles kleines eigenes Hardware-Geschäft integriert weitere Hersteller, die derzeit erfolgreichsten stammen von LG und Asus.

Genau diese Vielfalt gibt Microsoft nun auf: Da Nokia der größte Windows-Phone-Spieler ist – und nicht wie Motorola einer der kleinen bei Android –, dürften die verbleibenden Windows-Hersteller HTC und Huawei wenig Lust haben, weiter mitzuspielen, nachdem schon LG, Dell, Acer und ZTE aufgehört haben. Samsung bleibt wohl möglich eher aus Spaß und um vorsichtshalber einen Fuß (oder wenigstens einen Zeh) auch im Windows-Phone-Markt zu haben als aus Gewinnerzielungsabsichten dabei...

Die nächste Konsequenz wäre nun der Zukauf eines Tablet- und PC-Herstellers. Acer hat gerade erst Gerüchte über einen Aufkauf durch Lenovo oder Asustek zurückgewiesen, aber vielleicht stimmten ja nur die Namen nicht...

Siehe dazu auch:

(jow)