Spy Files 3: Wikileaks enthüllt Werbematerial für Überwachungssoftware in autoritären Staaten

Die Datensammlung enthält hauptsächlich Verkaufsbroschüren und Präsentationsmaterial, mit denen sich die Verkäufer von Überwachungssoftware in Ländern wie Aserbaidschan, Turkmenistan, Kasachstan oder Dubai ihren Kunden präsentierten.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 34 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Detlef Borchers

Wikileaks, Privacy International, Bugged Planet und Citizen Lab haben die Spy Files 3 veröffentlicht. Die Datensammlung enthält 249 Dokumente von 92 Firmen, hauptsächlich Verkaufsbroschüren und Präsentationsmaterial, mit denen sich die Verkäufer von Überwachungssoftware in Ländern wie Aserbaidschan, Turkmenistan, Kasachstan oder Dubai ihren Kunden präsentierten. Die Reisen dieser Verkäufer sind in einer Datenbank namens WCLIU gelistet: Diese "WikiLeaks' Counter Intelligence Unit" soll zeigen, wie intensiv europäische und US-Firmen ihre Kundschaft in weniger demokratischen Ländern pflegen.

Nach Ansicht von Wikileaks beweist die dritte Lieferung der Spy Files, wie umfangreich und lukrativ das Geschäft mit der Privatisierung und Digitalisierung des Überwachungsstaates ist. Sie erklären, "wie staatliche Geheimdienste mit der industriellen Welt verschmelzen, um die gesamte menschliche elektronische Kommunikation zu sammeln", sagte Wikileaks-Gründer Julian Assange. Die Reiseaktivitäten der Verkäufer von Atis Uher, Elaman, Utimaco, Gamma, Trovicor (um nur Firmen mit deutscher Beteiligung zu nennen) werde deswegen beobachtet und veröffentlicht, damit Drohungen gegen investigative Journalisten wirkungslos sind, heißt es zur Begründung der WCLIU.

Neben Verkaufsbroschüren und Bildschirmpräsentationen enthält die neue Dokumentensammlung auch einige Verträge und Lieferabkommen, die einen Einblick in das lukrative Geschäft mit Überwachungssoftware gestatten. So findet sich in den Spy Files eine Vereinbarung über eine strategische Partnerschaft zwischen der deutschen Utimaco und Dreamlab. Das Schweizer Unternehmen, das auch mit der umstrittenen Firma Gamma zusammengearbeitet haben soll, ist den Betreibern von Bugged Planet schon früher aufgefallen. Von Gamma selbst gibt es in der Datensammlung nicht nur die kürzlich geleakten Präsentationen, sondern eine Installationsanleitung für die Software FinSpay ISP im Projekt Turkmenistan, die die Systemvoraussetzungen für die einzelnen Internet-Anbieter in Turkmenistan beschreibt.

Insgesamt bestätigen die neuen Dokumente, dass die Klage von Privacy International und anderen Bürgerrechtsorganisationen bei der OECD ihre Berechtigung hat. Alle aufgeführten Firmen verstoßen mit ihrer Promotions- und Verkaufstätigkeit gegen die OECD-Leitsätze für ethisch verantwortungsvolles Handeln, die unter anderem Firmen verpflichten, die Menschenrechte zu achten. Die OECD, die bisher eine Beschwerde gegen die Gamma Group wegen ihrer Verkäufe in Bahrein angenommen hat, bekommt so weiteres Material zur Hand, Menschenrechtsverstöße zu ahnden. Für Menschenrechtsaktivisten in den betroffenen Ländern liefern die Spy Files 3 Hinweise über die Kommunikationssysteme, bei denen sie die eingebaute Überwachung kreativ umgehen müssen.

[UPDATE, 5.09.2013, 18:40]:

Leider ist uns im Artikel ein Fehler passiert: Die Schweizer Firma Dreamlab kooperierte mit der deutsch-britischen Gamma Group, nicht mit der Aachener Firma Utimaco. (anw)