Elektronische Gesundheitskarte: T-Systems betreibt das Backbone-Netz

Zur Eröffnung der Medizinmesse Medica ist einer der größten IT-Aufträge unter Dach und Fach, der im deutschen Gesundheitswesen vergeben werden kann.

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Von
  • Detlef Borchers

Zur Eröffnung der Medizinmesse Medica ist einer der größten IT-Aufträge unter Dach und Fach, der im deutschen Gesundheitswesen vergeben werden kann. Wie die zuständige Projektgesellschaft Gematik und die Telekom-Tochter T-Systems mitteilen, wird T-Systems das Backbone-Netz für die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte aufbauen und betreiben.

Technisch ist dieses Kernnetz ein bundesweites MPLS-VPN (Multiprotocol Label Switching – Virtual Private Network), in dem Sprache wie Daten transportiert werden, bestimmte Daten jedoch mit höherer Priorität ausgeliefert werden können. Der Backbone verbindet beispielsweise die verschiedenen Rechenzentren der Krankenkassen (für den Versicherten-Stammdatendienst) mit den Rechenzentren für den Verordnungsdatendienst (elektronisches Rezept). Der Auftrag an T-Systems, dieses Netz für den Testbetrieb (10.000er- und 100.00er-Tests mit voller Online-Funktion) ebenso wie für den späteren Wirkbetrieb zu unterhalten, hat eine Laufzeit über fünf Jahre. Weitere fünf Jahre lang kann die Gematik den Auftrag jeweils um ein Jahr verlängern. Über die Kosten dieses Kernnetzes schweigen sich Gematik wie T-Systems aus. In der umstrittenen, jedoch nie neu berechneten Kosten-Nutzen-Analyse der Unternehmensberatung Booz Allen Hamilton werden bei einer fünfjährigen Nutzung des Backbones Kosten von 60 bis 69 Millionen Euro angeführt.

Neben dem Zuschlag für das Backbone-Netz im Test- und Wirkbetrieb hat T-Systems von der Gematik außerdem den Auftrag erhalten, den sogenannten Zugangsdienst für den Online-Testbetrieb zu realisieren. Unter dem Begriff "Zugangsdienst" versteht die Gematik den Betrieb der Rechenzentren, bei denen die Ärzte, Apotheker oder Praxen "aufschlagen", wenn sie via Internet auf den MPLS-Backbone zugreifen wollen. (Die jeweiligen Netze, über die sie online gehen, heißen "sektorale Netze", weil Ärzte-, Zahnärzte und Apotheker etc. hier jeweils eigene Provider und Anbieter von Branchennetzen beauftragen wollen.)

Hubert Haag, bei T-Systems für den Geschäftsbereich Gesundheitswesen verantwortlich, erklärte gegenüber heise online: "Als Betreiber des MPLS-Backbone für das Gesundheitswesen sind wir in einer zentralen Position im Netz: Alle Applikationen, alle Verfahren, die das Gesundheitsnetz betreffen, werden über unsere Plattformen gehen." T-Systems sieht sich dabei als IT-Dienstleister belohnt, der sich frühzeitig das Gesundheitswesen als strategischen Wachstumsmarkt erschloss und sich nun für kommende eGK-Ausschreibungen in Deutschland und Europa empfehlen kann.

Gegenüber heise online betonte Haag: "Wir haben auf Basis der Ausschreibung ein wirtschaftliches Angebot abgegeben. Dies umfasst – wie in jedem Verfahren – auch Haftungsregelungen." Im Vorfeld der Ausschreibung des MPLS-Netzes hatten einige Interessenten Unmut über die Hafttungsregelungen gegeben. In ihnen hatte die Gematik verlangt, dass sich der MPLS-Betreiber mit einer unbegrenzten Haftungspflicht einverstanden erklärt. Davor scheuten offenbar potenzielle Bewerber zurück, die nicht wie T-Systems einen Konzern von der Größe der Deutschen Telekom im Rücken haben. Eine so weitgefasste Haftungspflicht könnte nach Meinung von Telematik-Fachleuten erhebliche Auswirkungen auf die konkrete Ausgestaltung der elektronischen Gesundheitskarte haben. Juristische Vorbehalte dieser Art könnten etwa dazu führen, dass zum eRezept immer ein Papierrezept ausgedruckt werden muss, um beim Ausfall des Backbones Medikamente ausgeben zu können.

Neben dem Zuschlag beim Backbone-Betrieb freut sich T-Systems auch über die Vergabe beim Zugangsdienst. So erklärte Bereichsleiter Martin Gödecke gegenüber heise online: "Bei MPLS haben wir den Aufbau und Wirkbetrieb übernommen, da war die gesamte bundesweite Infrastruktur ausgeschrieben. Bei den Zugangsdiensten haben wir 'nur' für den Aufbau und die Testphase den Zuschlag der Gematik bekommen." Das sei dennoch ein großer Gewinn, weil T-Systems auf diese Weise Erfahrungen mit der Ausgestaltung des Zugangsdienstes sammeln könne und bei der kommenden Ausschreibung für den Wirkbetrieb des Zugangsdienstes bestens vorbereitet sei.

Passend zur Auftragsvergabe kündigte T-Systems außerdem an, dass in dem mit der Knappschaft Bahn See durchgeführten Projekt "prospeGKT" 20.000 Versicherte eine "T-Systems-Gesundheitskarte" und 50 Ärzte einen Heilberufsausweis von T-Systems bekommen sollen, die sich weitgehend an den Vorgaben der Gematik orientierten. Auf der Medica ist T-Systems mit einem eigenen Stand unter dem Motto VVV vertreten: "Vernetzen – verbinden – vereinfachen".

Siehe dazu auch den Online-Artikel in c't – Hintergrund mit Links zur aktuellen und bisherigen Berichterstattung über die elektronische Gesundheitskarte und die Reform des Gesundheitswesens:

(Detlef Borchers) / (jk)