Wahlen in Hamburg: Nun doch keine elektronische Stimmauszählung

In Hamburgs Bürgerschaft zeichnet sich eine Mehrheit gegen die Nutzung des digitalen Wahlstifts zur Bestimmung des amtlichen Endergebnisses ab.

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Von
  • Richard Sietmann
Aufgrund der Sachverständigen-Anhörung im Verfassungsausschuss am vergangenen Freitag hält die SPD-Fraktion in Hamburg den digitalen Wahlstift für die Wahlen in der Hansestadt am 24. Februar nicht für einsatzreif. Das erklärte die SPD-Verfassungsexpertin und Vizepräsidentin des Landesparlaments, Barbara Duden, gegenüber dem Hamburger Abendblatt. Zwar wird der Verfassungsausschuss am kommenden Freitag noch einmal über den Wahlstift beraten, doch damit zeichnet sich in Hamburgs Bürgerschaft nun eine Mehrheit für die vollständige manuelle Auszählung der Stimmzettel ab, wie sie bisher als einzige Fraktion die GAL verlangte.
Die SPD in Hamburg hatte sich schon Anfang November darauf festgelegt, dass sie der Verwendung des digitalen Wahlstifts nur im Konsens mit der CDU und GAL zustimmen werde. Auch die CDU will mit ihrer knappen Mehrheit in der Bürgerschaft das umstrittene elektronische Wahlsystem, bei dem der Stift beim Ankreuzen des Stimmzettels das Votum des Wählers gleichzeitig mit einem Sensor registriert, nicht im Alleingang durchdrücken.
Offen ist noch, ob der Stift nun in einem größeren Feldtest lediglich in bestimmten Wahllokalen zum Einsatz kommt oder ob er flächendeckend als Zählhilfe zur schnellen Ermittlung des vorläufigen amtlichen Endergebnisses dienen soll, wobei sich die Feststellung des amtlichen Endergebnisses dann auf die manuelle Auszählung stützt. Der Verfassungsausschuss will darüber auf seiner Sitzung am Freitag beschließen.
Der Vertreter der CDU im Verfassungsausschuss, Kai Voet van Vormizeele, macht sich im Vorfeld der Sitzung bereits für den Einsatz als Zählhilfe stark. Zugleich stellte er gegenüber dem Hamburger Abendblatt die Handauszählung der Stimmen als Schreckenszenario dar – weil der Senat dafür rund 11.000 Wahlhelfer rekrutieren muss, die überwiegend aus dem Öffentlichen Dienst kämen, würde die Verwaltung nach dem Wahlgang tagelang gelähmt sein.
Zum Thema E-Voting und elektronische Wahlmaschinen siehe auch:
  • "Eine neue Situation", E-Voting in Deutschland nach dem Wahlmaschinen-Hack , Interview mit Professor Dieter Richter von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt, c't 24/06, S. 72
  • Obskure Demokratie-Maschine, Sind Wahlcomputer manipulationssicher?, c't 20/06, S. 86
  • E-Voting: Ja, aber ..., Bedenken gegen die Wahlcomputer von Nedap, c't 16/06, Seite 54
  • Naive E-Wähler, Rechtliche und technische Probleme bei Wahlcomputern in Deutschland, c't 15/06, S. 104
  • Der Stift-Kompromiss, Das Hamburger Landeswahlamt propagiert fürs Voting den digitalen Wahlstift, c't 6/06, S. 90
  • "Der schleichende Verfall der öffentlichen Kontrolle", Der 22C3 diskutiert über Wahlen per Internet und E-Voting, c't 2/06, S. 20
  • E -Voting vs. Verfassung, Rechtliche Bedenken bei elektronischen Wahlmaschinen in Deutschland, c't 1/06, S. 80
  • Elektronische Wahlen?, Einige verfassungsrechtliche Fragen, c't 23/05, S. 228
  • Dreimal drücken – fertig?, E-Voting-Großeinsatz bei der Bundestagswahl, c't 19/05, S. 54
  • Trial and Error, Streit um technische Richtlinien für US-Wahlcomputer, c't 17/05, S. 54
  • E-Voting – ein Spiel mit dem Feuer, Elektronische Wahlsysteme bei den US-Präsidentschaftswahlen 2004, c't 23/04, S. 100
  • Verführerischer Charme ..., ... aber die Einführung allgemeiner Online-Wahlen bleibt umstritten, c't 11/01, S. 22
  • Der virtuelle Wähler, Zweifel am Urnengang mittels Internet, c't 8/01, S. 70
  • (Richard Sietmann) /