re:publica: Polizei 2.0 zwischen Twitter und "Alt-Strg-Entfern-Entscheidern"

Mit Diensten, die dem Web 2.0 zugeschrieben werden, kann die Polizei bereits seit Jahren aufwarten, doch die IT-Erfahrung ist laut einem Insider bei vielen Kollegen unterentwickelt. Heimliche Online-Durchsuchungen etwa seien Zukunftsmusik.

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Mit Diensten, die dem Web 2.0 zugeschrieben werden, kann die Polizei bereits seit Jahren aufwarten. Doch die IT-Erfahrung ist bei vielen Kollegen laut einem Insider noch deutlich unterentwickelt. Dies schränke die Fähigkeiten zur Verbrecherjagd mit Computer und Internet ein, erklärte Guido Karl aus der Polizeiabteilung des nordrhein-westfälischen Innenministeriums, am heutigen Donnerstag auf der Bloggerkonferenz re:publica in Berlin. Die besonders umstrittenen heimlichen Online-Durchsuchungen etwa hält der altgediente Polizeibeamte noch für Zukunftsmusik. Derzeit seien sie rein technisch wohl kaum durchführbar. Zumindest würde man mit der bislang für die Polizei noch nicht erlaubten Ermittlungsausmaße zur Ausspähung von Festplatten auch "nur die Dummen" erwischen.

"Die Polizei hat das Web 2.0 erfunden", scherzte Karl. "Fotoportale haben wir schon lange, aber etwas eingeschränkt." So würden Aufnahmen nur von vorne und von beiden Seite im Halbprofil gemacht. Videoportale gebe es ebenfalls schon "seit Ewigkeiten" bei den Strafverfolgern, zumindest seit die Streifenwagen mit Kameras zur "Eigensicherung" der Beamten ausgestattet seien. Das Material werde inzwischen auch auf dicken Festplatten gespeichert, betonte Karl. Momentan baue man zudem in Nordrhein-Westfalen gerade die Internetwache 2.0, dazu seien bereits ein Presse- und ein Fahndungsportal online.

Bei letzterem "würde ich gerne Geo-Targeting nutzen", kam Karl auch auf Empfindlichkeiten rund um den Datenschutz beim Einsatz der Technik zu sprechen. Das würde für den Nutzer eigentlich Sinn ergeben, doch "hat das vielleicht einen komischen Beigeschmack", zögert der im IT-Bereich tätige Beamte hier noch. "Wir dürfen auch Google Analytics nutzen, wir haben das von Datenschützern prüfen lassen, für die Analyse des Internetverkehrs." Aber auch hier habe man auf den Einsatz des Werkzeugs bislang verzichtet. "Twitter haben wir schon seit den 70ern bei der Polizei", berichtete Karl weiter. Es heiße dort aber CEBIUS, was für ein computerunterstütztes Einsatzsystem in den Polizeifahrzeugen stehe. "Status 2 etwa bedeutet, dass der Wagen auf der Wache einsatzbereit stehe, Status 4, dass das Auto gerade mitten in einem Einsatz ist". Mit den Systemen GLADIS und POLGIS sei ferner so etwas wie Google Earth vorhanden.

Andererseits verheimlichte Karl aber auch nicht, dass es auch vor allem "viele ältere Kollegen" gebe, die als erstes die Frage stellen würden: "Wo muss ich jetzt klicken?" Die Schreibmaschine sei zwar auf jeden Fall in den Kellern verschwunden, doch noch nicht jeder könne mit einem PC sachgerecht umgehen. Für diese Mitarbeiter teste seine Abteilung gerade eine Eingabe mit Spracherkennung, die "hellauf begeistert" aufgenommen worden sei. Darüber hinaus gebe es noch die Spezies der "Strg-Alt-Entfern-Entscheider", die gängige Befehlskombinationen auf den PC nicht ausführen könnten. Diese Gattung würde zwar über Budgets wachen, ansonsten sei das Web 2.0 für sie aber "so etwas wie Open Source" und RSS "gut für Bildschirmschoner".

Als wichtige IT-Themen bezeichnete Karl für die Polizei den Bereich Software-Ergonomie. So seien Fahndungssysteme wie Inpol über die Jahrzehnte hinweg gewachsen, sodass sie auch entsprechend aussähen. Löschungsfristen gebe es dafür zwar natürlich etwa, es werde aber oft nicht überprüft, ob diese auch eingehalten würden. Hier müssten Betroffene notfalls mithilfe der Datenschutzbeauftragten nachhelfen. "Wir haben zudem IT-Abteilungen und den Alltagsbetrieb, dazu kommt das Haushaltsrecht." Es sei daher nicht so einfach, mal drei Millionen Euro für größere Projekte oder Verbesserungen an Bestehendem zu bekommen. So müsse jetzt etwa schon festgelegt werden, was in den Jahren 2010 und 2011 angeschafft werden solle. Dabei könnten auch die Mitarbeiter elektronisch Vorschläge machen. Es dauere aber auch bei guten Ideen eben oft "einen Tick länger, bis sie umgesetzt werden".

Für Blogger, die gerne "Polizei-Reporter" werden wollen, hatte Karl zudem den Tipp parat, die Presseportale der Ermittler zu checken. In Nordrhein-Westfalen allein würden dort täglich zwischen 300 und 500 Meldungen veröffentlicht und es gebe auch einen RSS-Feed. Dort würden sich immer interessante Themen finden, wie aktuell etwa Berichte über eine "Serie von Kaninchenenthauptungen".

Zur re:publica 2008 siehe auch:

(Stefan Krempl) / (jk)