NSA-Überwachungskandal: Schriftsteller protestieren vor dem Kanzleramt

So eine gemeinsame Aktion von Schriftstellern ist selten: Juli Zeh protestiert vor dem Kanzleramt gegen den Umgang der Regierung mit der NSA-Spähaffäre - und hat einige prominente Unterstützer.

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Von
  • Caroline Bock
  • dpa

Den offenen Brief von Juli Zeh und ihren Schriftstellerkollegen und -kolleginnen haben rund 68.000 Unterstützer unterschrieben.

"Zwei, drei, vier!", sagt Juli Zeh. Dann trägt die Schriftstellerin im Chor mit ihren Kollegen den offenen Brief vor, den sie an Angela Merkel geschrieben hat. Die Gruppe protestiert am Zaun des Kanzleramts gegen Überwachung. Genauer: Dagegen, wie die Bundesregierung mit der Affäre umgeht, die der Ex-Geheimdienstler Edward Snowden ins Rollen gebracht hat. Etwa 68.000 Unterstützer haben Juli Zehs Brief unterzeichnet. Er prangert den "gläsernen Menschen" an und fragt die Kanzlerin nach einer Strategie. Merkel dürfe nicht mehr abwarten, fordern die Autoren.

Vier Tage vor der Bundestagswahl sind prominente Literaten dabei, darunter Ingo Schulze, Tanja Dückers und Julia Franck, die eine der Unterschriftenkisten trägt. Eine vollständige Liste der Schriftsteller, die den Brief unterstützen, findet sich auf der Petitionsseite. So eine gemeinsame Aktion von Schriftstellern ist selten.

Juli Zeh gibt am Mittwoch Interviews wie am Fließband. "Ich reagiere einfach sehr emotional auf alles, was Freiheitsbeschränkung ist", sagt die 39-Jährige. Das Thema treibt sie schon seit den Terroranschlägen von 2001 um. Ein Runder Tisch zur Überwachungsproblematik sollte her, findet sie. "Es ist ein Thema, das die Leute extrem verunsichert." Und auch eines, das schwer greifbar, aber für Zeh dringend ist. "Was soll denn jetzt noch passieren? Dass im Keller einer sitzt und den Stromzähler abliest?"

Tanja Dückers spricht von einem der "größten Skandale in der Geschichte der Bundesrepublik seit langer Zeit". Es rege sie sehr auf, wie fatalistisch viele Leute bei der Überwachung im Internet seien. "Es gab auch mal den Begriff des Briefgeheimnisses", sagt sie. Sie sei sehr entsetzt darüber, in welchem Ausmaß das alles vorgefallen sei, und wie wenig die Politik sich dafür verantwortlich fühle und meine, das Thema sei jetzt vor den Wahlen an den Rand zu schieben.

Ihre Kollegin Ulrike Draesner erinnert bei der Demo an ein Erlebnis bei der Einreise in die USA mit Fingerabdruck und Iris-Scan, als sie wegen einer Scheibe Salami aufgefallen sei. Da war ihr Gedanke: Was wäre, wenn auf Knopfdruck für den Beamten ihre ganze private Korrespondenz sichtbar würde? Und Autor Michael Kumpfmüller sagt: "Wir haben ein Bürgerrecht darauf, dass andere Leute nicht in unsere Intimsphäre eindringen."

Vor dem Kanzleramt lässt sich kein prominenter Politiker blicken – weder Merkel noch ihr Mann für Geheimdienste, Ronald Pofalla, oder Bernd Neumann, der Kulturstaatsminister. Dann fordert Kumpfmüller seine Kollegen auf, sich im Gänsemarsch in Bewegung zu setzen. Es geht Richtung Bundespresseamt. Dort, so erzählt es ein Helfer der Aktion später, durften die Autoren die Unterschriftenkisten der stellvertretenden Regierungssprecherin übergeben.

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(jk)