EU-Kommission: Holprige Aufklärungsbemühungen in der NSA-Affäre

Bei einem Treffen mit US-Offiziellen zum NSA-Überwachungsskandal wurden EU-Abgesandte mit allgemeinen Erläuterungen über mögliche Überwachung der Überwacher abgespeist. EU-Abgeordnete bezeichneten die Aufklärungsbemühungen als völlig unzureichend.

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Die transatlantische Arbeitsgruppe zum Datenschutz, die bei der vielfach geforderten Aufklärung des NSA-Skandals eine wichtige Rolle spielen soll, hat knapp vier Monate nach den ersten Enthüllungen über die umfassende Internetschnüffelei des US-Geheimdienstes wenig erreicht. Bei einem ersten Treffen mit der US-Regierungsseite seien Abgesandte aus Brüssel mit allgemeinen Erläuterungen über eine mögliche Überwachung der Überwacher abgespeist worden, erläuterte Paul Nemitz, Leiter der Generaldirektion Justiz der EU-Kommission, bei einer Anhörung im Innenausschuss des EU-Parlaments.

"Wir wollten etwas in Erfahrung bringen über die Reichweite und Breite der geheimdienstlichen Aktivitäten", führte Nemitz aus. So habe man wiederholt um Aufschluss gebeten, wie viele EU-Bürger davon betroffen seien. Es gäbe bislang nur Prozentzahlen zum ausgewerteten Internetverkehr. Die US-Vertreter hätten aber darauf bestanden, zunächst die zahlreichen Mechanismen zur Geheimdienstkontrolle in den Vereinigten Staaten zu erläutern. Die dazu präsentierten Dokumente seien bereits alle öffentlich gewesen. Detailinformationen könnten bislang dagegen nicht diskutiert werden: "Man hat uns mitgeteilt, dass die alle 'geheim' eingestuft sind."

Insgesamt hätten die USA bislang nur die Sammlung von "Metadaten" im Rahmen des NSA-Programms PRISM bestätigt, erklärte der Co-Vorsitzende der Arbeitsgruppe. Zu Berichten über das Anzapfen von Unterseekabeln auch mithilfe des britischen Geheimdienstes GCHQ hätten die Europäer dagegen keine Hinweise erhalten; diese würden aber auch nicht abgestritten. Überdies habe es wiederholt mündliche Versicherungen gegeben, dass es illegal sei, Wirtschaftsspionage im Rahmen der einschlägigen Anti-Terror-Programme durchzuführen. Die Vorlage entsprechender Rechtsgrundlagen stünde aber genauso noch aus wie eine schriftliche Bestätigung dieser Behauptungen.

Aufgabe der Arbeitsgruppe sei das Finden von Fakten, nicht das Verhandeln über Reformen transatlantischer Verträge wie dem Safe-Harbor- oder dem SWIFT-Abkommen, betonte Nemitz. Immer neue Offenbarungen in der NSA-Affäre verstärkten aber Bedenken in der Kommission, dass solche Übereinkünfte zunächst geschlossen und später durch "einseitige Aktivitäten" ausgehebelt würden. Reinhard Priebe, der für die Generaldirektion Innen sprach, wollte parallel nicht über die Frage spekulieren, ob etwa das SWIFT-Abkommen durch Versuche von US-Behörden ausgehebelt werde, zusätzliche Informationen des Finanznetzwerks über gerichtliche Anordnungen zu beziehen.

Mehrere EU-Abgeordnete bewerteten die bisherigen Resultate der Mission als unzureichend. Die Liberale Sophie in't Veld sprach von einer offenbar "rein symbolischen Aktion". Wenn es um die Verletzung der Grundrechte von EU-Bürgern gehe, reiche eine Lektion in US-Recht in Washington nicht aus. Die Linke Cornelia Ernst überlegte laut, "ob wir mit dem Schattenboxen so weitermachen wollen". Die US-Seite müsse rasch Zahlen vorlegen und erläutern, wie Geheimdienste überhaupt überwacht werden könnten. Teilnehmer des parlamentarischen Untersuchungsausschusses wollen im Oktober selbst nach Washington fahren, um ihren eigenen Bericht zu untermauern.

US-Bürgerrechtler vom Center for Democracy & Technology (CDT) betonten, die NSA-Affäre habe der Öffentlichkeit deutlich vor Augen geführt, dass die Kontrollverfahren "kläglich versagt haben". Und dies, obwohl sie in den USA vergleichsweise stark ausgeprägt seien. Die Abgeordneten und Senatoren in den einschlägigen Kongressgremien seien zwar halbwegs im Bilde gewesen, hätten aber nicht alle Erkenntnisse mit ihren Kollegen geteilt oder gar publik gemacht. Der hauptsächlich zuständige Foreign Intelligence Surveillance Court (FISC) agiere weitgehend ebenfalls im Geheimen und sei zudem von der NSA über den Umfang der Programme und die mangelnde Reichweite deren Datenschutzversprechen im Unklaren gehalten worden.

Der einzig richtige Weg ist es nach Ansicht der CDT-Experten daher, die Überwachung gesetzlich zu begrenzen und ein massenhaftes Erfassen von Daten auszuschließen. Letztlich sei es wichtig, ein gemeinsames transatlantisches Verständnis für Datenschutz zu entwickeln, das dann eventuell einen Standard für den Rest der Welt setzen könne. Parallel müssten die weiten Terrorismusbegriffe dies- und jenseits des Atlantiks enger gefasst sowie ein "Ringtausch" von Informationen zwischen internationalen Geheimdienstbehörden verboten werden. (jk)