1. Cybercrime-Konferenz: Die Zukunft der Internet-Gesellschaft, oder: Das Leben der Kinuko

Project 2020 von Europol und ICSPA soll an ausgewählten Szenarien Öffentlichkeit wie Politik darüber aufklären, wohin sich die Internet-Gesellschaft entwickelt und wie die Bedrohungen aussehen. "Das Leben der Kinuko" erscheint aber eher als Dystopie.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Detlef Borchers

Das Filmplakat zu Project 2020

(Bild: Detlef Borchers / heise online)

Auf der Cybercrime Conference von Europol und Interpol haben das EC³ der Europol und die International Cyber Security Alliance (ICSPA) das Project 2020 vorgestellt. Project 2020 soll anhand ausgewählter Szenarien die Öffentlichkeit wie die Politik darüber aufklären, wohin sich die Internet-Gesellschaft entwickelt und wie die Bedrohungen aussehen, erklärte ICSPA-Chef John Lyons in Den Haag. Für die Strafverfolger dieser Welt habe Project 2020 eine wichtige Nachricht: "Get with it or be left out."

John Lyons, Chef der International Cyber Security Alliance (ICSPA)

(Bild: Detlef Borchers / heise online)

Die von Sicherheitsexperten entworfenen Szenarien sind in einem White Paper for Decision Makers beschrieben und als Video gezeichnet worden. Da ist die 23-jährige Kinuko, die eine Vielzahl von Bezahldiensten ihres Providers nutzt, der für sie eine ganze Reihe von Websperren eingerichtet hat und einen wöchentlichen Überblick darüber liefert, was mit ihren Daten passiert. Gegen Aufpreis hat sich Kinuko das Recht gesichert, ihre Daten selbst zu verkaufen. Für jeweils ein Gigabyte ihrer Daten bekommt sie von interessierten Firmen eine Kommission in Form von Mikrokrediten, die sie beim Online-Shopping einlösen kann. Kinuko hat bei ihrem Provider drei verschiedene Identitäten zugekauft und nutzt zudem einen Dienst, der die Reputation dieser Identitäten überwacht. Beruflich arbeitet sie Teilzeit als 3D-Druckerin und verkauft ihr Know-how als Expertin bei besonders schwierigen Druckaufträgen. Ihre Kleidung ist voller RFID-Sensoren, die z.B. Körperwerte messen und speichern.

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Kinuko wird im White Paper des Projektes als kritische Netz-Nutzerin geschildert. Sie setzt sich in einer Initiative dafür ein, dass es eine Altersbeschränkung für die Nutzung von Augmented Reality für Kinder gibt. Anders als ihre Gleichaltrigen lehnt sie die automatische Nutzung der Gefühlserkennung ab, die ihre aktuellen Gefühlsdaten an Firmen schickt. Verfügbare Chip-Implantate lehnt die leidenschaftliche Gamerin ebenfalls ab, weil einige ihrer Mit-Gamer bereits einen durch Malware verseuchten Körper besitzen.

Das ICSPA-Mitglied Trend Micro hat mit Project 2020 die Dystopie zu Kinukos heiler Welt verflimt. Die erste Episode des aufwendig produzierten Films soll am 1. Oktober anlaufen. In ihm ist die Überwachung aller im Kampf gegen Unruhestifter durch eine brutale Polizei Alltag. Kinuko wird auf der Straße verhaftet und verhört, als Beweise ihrer Widerständigkeit gelten Aufnahmen, die mit einer Google-Glass-artigen Brille gemacht wurden. Der Kampf geht gegen Hacker, die die heile Welt von Kinuko bedrohen. Sie können nur durch einen Iris-Scan der Augen erkannt werden.

Rik Ferguson, Vizepräsident von Trend Micro

(Bild: Detlef Borchers / heise online)

Rik Ferguson, Vizepräsident von Trend Micro, betonte in Den Haag, dass der düstere Film ausschließlich Technologie zeigt, die heute bereits verfügbar ist. "Das ist kein Science Fiction, das ist verdichtete Realität". Weil der Film in einem "Jahrzehnt der Schocks" spielt, in einer Gesellschaft,die von ständigen politischen Unruhen geschüttelt wird, ist so ein denkbar harter Kontrast zum friedlichen Leben der Kinuko entstanden. So mancher altgediente Polizist bei Interpol und Europol war in Den Haag gar nicht mit dem Big-Brother-Image einverstanden, das der Schocker von Trend Micro da transportierte.

Neben dem Leben der Kinuko gibt es im White Paper zwei weitere Szenarien. Im ersten wird gezeigt, wie die Firma Xinesys und der Telekommunikations-Konzern Lakoocha in der Cloud existieren und sich gegen Cybercrime-Bedrohungen zur Wehr setzen, im zweiten, wie die Regierung von Süd-Sylvanien gegen Unruhen und Aufstände vorgeht. Alle Bürger sind mit RFID getagged und verfolgbar, Profiling durch Computer hilft den Geheimdiensten, Individuen zu erkennen, die kriminelle oder terroristische Attacken planen. Viele ehemalige Vertreter der Hacker-Ethik arbeiten als Agenten im "Informationsfreiheitsministerium" und organisieren die PR des Staates Süd-Sylvanien.

Ob Projekt 2020 Bürger wie Politiker mit derartigen Szenarien wirklich aufklären kann, wird sich zeigen müssen. Das Datum 2020 haben die Experten übrigens darum gewählt, weil dann nach der Theorie von Ray Kurzweil die technologische Singularität schlägt, ab der Computer als intelligente Agenten selbst für Verbrechen verantwortlich sein können. Dann müssten völlig neue Polizei-Methoden entwickelt werden, heißt es in dem Whitepaper.

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(jk)