US-Repräsentantenhaus gegen Straffreiheit für NSA-Lauschgehilfen

Das Abgeordnetenhaus hat einen von Demokraten gestützten Entwurf zur Novelle des Gesetzes zum Abhören internationaler Telekommunikation Terrorverdächtiger verabschiedet, während auch ein neues Urteil in der NSA-Schnüffelaffäre vorliegt.

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Das Abgeordnetenhaus des US-Kongresses hat am Donnerstagabend einen von den Demokraten gestützten Entwurf zur Novelle des Gesetzes zum Abhören internationaler Telekommunikation zur Terrorabwehr verabschiedet. Der entsprechende Restore Act zur heftig umstrittenen Neuregelung des Foreign Intelligence Surveillance Act (FISA) sieht vor, dass privaten Schnüffelhelfern von Sicherheitsbehörden wie der National Security Agency (NSA) keine pauschale Straffreiheit gewährt werden soll. Zugleich sind größere Kontrollmöglichkeiten der Abhörmaßnahmen durch das FISA-Sondergericht geplant. Die Abgeordneten wollen so "unschuldige US-Amerikaner" vor nicht gerichtlich kontrollierter Überwachung schützen. Allerdings sollen weiterhin für die Kommunikationsüberwachung zwischen zwei Personen außerhalb der USA keine gerichtlichen Anordnungen nötig sein.

Das Gesetz helfe dabei, die "Balance zwischen Sicherheit und Freiheit wiederherzustellen", erklärte Silvestre Reyes, der den Demokraten angehörende Vorsitzende des Geheimdienstausschusses des US-Repräsentantenhauses nach der Verabschiedung des Entwurfs. Das Weiße Haus, das seit längerem auf eine Immunität für die privaten Hilfssheriffs im Auftrag des Staates sowie auf eine deutliche Ausweitung der Überwachungsbefugnisse drängt, drohte dagegen erneut ein Veto der Initiative an. Diese "würde unsere Fähigkeit zum Schutz der Nation vor fremden Bedrohungen gefährlich schwächen", hieß es aus dem Sitz von US-Präsident George W. Bush. Auch der republikanische Abgeordnete Lamar Smith aus dem Justizausschuss des Repräsentantenhauses monierte, dass das Gesetz "Terroristen in Übersee mehr Rechte gibt als Individuen in den USA". Das sei "schlicht absurd".

Die Aufmerksamkeit der Beobachter des Gesetzgebungsvorhabens richtet sich nun auf den Senat, in dem eine endgültige Entscheidung über die FISA-Reform noch aussteht. Der Geheimdienstausschuss dieser zweiten Kammer des US-Kongresses befürwortete im Oktober eine breite Immunitätsregel. Diese soll sich neben klassischen Telcos auch etwa auf Internetzugangsanbieter, Host- oder E-Mail-Provider, Suchmaschinenbetreiber oder sogar Wohnungsverwalter und Hotelmanager beziehen. Vertreter des Rechtsausschusses des Senats sahen die "Amnestie-Regelung" dagegen bislang sehr skeptisch. Die TK-Anbieter sollen nach Ansicht der Rechtspolitiker nicht einfach so "von der Angel" gelassen werden.

Ebenfalls am Donnerstag beschloss der Rechtsausschuss nun eine Fassung entlang dem Restore Act des Abgeordnetenhauses. Das Thema der möglichen Rechtsverfolgung privater Schnüffelhelfer klammerte das Gremium in einer ungewöhnlichen Wendung aber komplett aus. Es soll nun erst bei der Endabstimmung des Entwurfs im Senatsplenum erneut und abschließend behandelt werden.

Generell geht es in den Debatten um eine Nachfolgeregelung für die derzeitige, im Februar auslaufende FISA-Überarbeitung in Form des Protect America Act. Diese erfordert keinen Richterbeschluss für Abhöraktionen außerhalb der USA, enthält aber auch keine Klausel zur Straffreiheit der Überwachungsgehilfen. US-Bürgerrechtsorganisationen wie die Electronic Frontier Foundation (EFF) hatten nach dem Bekanntwerden erster Details über das NSA-Lauschprogramm rasch Klagen gegen größere US-Telcos eingereicht. Sie werfen den Firmen die Verletzung von Datenschutzbestimmungen vor. Die Bush-Regierung hat die Überwachungsaffäre dagegen als Staatsgeheimnis deklariert und will die Klagen auch auf diesem Weg ins Leere laufen lassen.

Ein US-Berufungsgericht hat diese Argumentation Washingtons sowie die damit verknüpfte Aufforderung zur Klageabweisung nun aber in einem ersten Fall zurückgewiesen. Die vielen Versuche der Regierung zur Beschwichtigung der Ängste von Bürgern, dass sie nicht doch überwacht worden seien, widersprechen laut dem Urteil (PDF-Datei) des 9th. US Circuit Court of Appeals in San Francisco geradezu der Behauptung Washingtons, dass der Kern der Untersuchung – die Frage nach der Existenz eines ungerechtfertigten Überwachungsprogramms – aufgrund des Staatsgeheimnisprivilegs nicht näher erforscht werden dürfe. Schon zuvor hatten die Richter bei der mündlichen Verhandlung dieses Argument der US-Regierung in Frage gestellt.

In dem konkreten Fall geht es um eine Klage der Al-Haramain Islamic Foundation gegen Bush. Aus einem als vertraulich eingestuften Dokument, welches das US-Finanzministerium versehentlich der Stiftung ausgehändigt hatte, geht hervor, sie sei Ziel nicht richterlich genehmigter Überwachung gewesen. Daraufhin hatte die islamische Einrichtung auf Basis des FISA den Rechtsweg eingeschlagen. Die erste Instanz hatte die Klage aufgrund der Geheimniskrämerei der US-Regierung abgewiesen. Nun muss sie sich doch mit der Frage des illegalen Abhörens beschäftigen. Das belastende Schriftstück, das der Stiftung mehr oder weniger per Zufall in die Hände gespielt wurde, darf die Klägerseite dabei laut dem Berufungsgericht aber nicht verwenden. Diese Ansage hat bei Rechtsprofessoren Verwunderung ausgelöst, da die urteilenden Richter in San Francisco von Demokraten ausgewählt und als liberal gelten. Es sei besorgniserregend, dass diese trotzdem der Regierungsansicht teilweise gefolgt und das ausschlaggebende Beweismittel nicht zugelassen hätten.

Zum aktuellen Stand und der Entwicklung der Debatte um die erweiterte Anti-Terror-Gesetzgebung, die Anti-Terror-Datei sowie die Online-Durchsuchung siehe:

(Stefan Krempl) / (jk)