30 Jahre GNU-Projekt

Vor 30 Jahren startete Richard Stallman das GNU-Projekt mit dem Ziel, ein Unix-artiges Betriebssystem als freie Software zu schaffen. Heute ist GNU-Software aus der IT nicht wegzudenken.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 100 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Dr. Oliver Diedrich

Vor 30 Jahren startete Richard Stallman das GNU-Projekt mit dem Ziel, ein Unix-artiges Betriebssystem als freie Software zu schaffen. Seit Stallmans Ankündigung vom 27. September 1983 entstanden unter dem Motto "Gnu's Not Unix" zahllose Unix-Tools – von der Bash-Shell bis zur GNU Compiler Collection GCC.

Zum kompletten Betriebssystem fehlt dem GNU-Projekt nur noch ein praxistauglicher Betriebssystemkern: Der GNU-eigene Hurd-Kernel ist trotz vieler Jahre Arbeit nicht wirklich produktiv nutzbar. Aber das macht nichts: Der Linux-Kernel – den es ohne GNU-Software wahrscheinlich gar nicht geben würde – ergänzt sich vortrefflich mit den Userland-Tools des GNU-Projekts. In den letzten 20 Jahren hat GNU/Linux immer mehr Einsatzbereiche erobert.

Das GNU-Projekt fühlte sich immer den Prinzipien freier Software verpflichtet, wie sie die Free Software Foundation – ebenfalls von Richard Stallman begründet – vertritt: GNU-Software darf nicht nur jede(r) nutzen, man darf die Quelltexte der Programme auch untersuchen, verändern und die Programme weitergeben. Diese Prinzipien haben letztlich zu einer weltweiten Community von Entwicklern und Anwendern geführt, die sich gegenseitig unterstützen und gemeinsam einen riesigen Pool an freier Software geschaffen haben.

Mein persönliches erstes GNU-Erlebnis datiert auf Mitte der neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts: Meine WG wünschte sich einen eigenen Dateiserver und trotz meiner noch recht frischen GNU/Linux-Kenntnisse versprach ich, mit GNU/Linux und Samba aus dem alten 386er-Rechner so etwas zu bauen. Dabei entpuppte sich jedoch die alte BNC-Netzwerkkarte als Stolperfalle, die nicht mit dem Linux-Treiber zusammenspielen wollte. Das Problem war eine in der Karte verdrahtete Speicheradresse.

Dank der offenen Kernel-Quellen ließ sich die aber im Netzwerktreiber selbst anpassen, sodass meine Mitbewohner und ich fortan einen Samba-Server für den Dateiaustausch im WG-Netz hatten. Unser Erfolg war aber nicht kostenlos: Die steile Lernkurve beim Kernel-Kompilieren und der Benutzung der GNU-Tools, die Suche nach der richtigen Quelldatei und ein oder zwei Anläufe, bis der Treiber mit der geänderten Adresse funktionierte, brauchten einige Nächte und Tage Zeit. Aber im Gegenzug – und anfangs fast unbemerkt – wuchsen meine Erfahrungen und die Einblicke beträchtlich. Das war einerseits dem Studium vieler Man-Pages zu verdanken, andererseits aber besonders den hilfsbereiten Anworten in Newsgroups.

GNU und viele andere Open-Source-Projekte haben mich vom puren Nutzer irgendwelcher Software zum Teilnehmer und Mitmacher befördert: Meine eigene praktische Erfahrung sammelte ich durchs Nachmachen von HowTos, die ich im Gegenzug verbesserte und um Neues erweitert habe. Und bei Problemen musste ich nicht auf die Entwickler warten, wenn es galt, schnell kleine Fehler zu beheben. Das GNU-Projekt war für mich so etwas wie ein permanenter Volkshochschulkurs, ohne den ich nie tiefer in Rechner, Netze oder gar das Programmieren eingestiegen wäre. Danke, GNU! (rek) (odi)