Vor allem Jugendliche leiden unter Online-Sucht

Forscher schätzen, dass rund 10 Prozent der Internet-Nutzer suchtgefährdet sind.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 180 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • dpa

Die Sucht nach dem Internet ist nach Meinung des Mannheimer Psychologen Thomas Hintz heute in erster Linie ein Jugendproblem. "Betroffen sind vor allem junge Leute zwischen 14 und 20 Jahren. Es geht dabei zum Beispiel um Spiele, Chats oder das Spielen mit der eigenen Identität in einer virtuellen Welt", sagte Hintz, Psychologe am Mannheimer Zentralinstitut für seelische Gesundheit, in einem Gespräch mit der Deutschen Presseagentur dpa. Häufig sei die Online-Sucht eine Folge von Problemen wie Angst vor sozialen Kontakten, fehlendem Selbstwertgefühl oder depressiven Neigungen.

Am 23. November gibt es auf der Berliner Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde ein Symposium über Ursachen, Folgen und Therapiemöglichkeiten einer Abhängigkeit vom Netz.

Den Begriff einer Internet-Sucht gibt es seit 1996. Doch bis heute stritten Wissenschaftler darüber, ob es sich dabei um eine eigenständige Störung handele oder eher um den Teil eines tiefliegenderen seelischen Problems, erläuterte Hintz. Als Krankheitsbild anerkannt sei eine Online-Sucht in Deutschland nicht. Wie Spielsucht oder Kleptomanie könne sie aber in die Kategorie der "Impuls-Kontroll-Störungen" eingeordnet werden, ergänzte der Experte.

Nach Studien in den USA und in Berlin schätzten Forscher heute, dass rund 10 Prozent der Internet-Nutzer suchtgefährdet sind – rund vier Prozent mehr als noch vor einigen Jahren. Neben Jugendlichen seien es vor allem erwachsene Singles, berichtete Hintz. Ein Prozent der Nutzer sei durch diese Abhängigkeit in einen Teufelskreis geraten: Sie surften bis weit in die Nacht, fehlten in der Schule oder am Arbeitsplatz und hätten kaum noch Kontakt zu Freunden oder Familie. "Auch Offline kreisen die Gedanken um das Internet", sagte Hintz.

"Ich leide an Online-Sucht. Meine Familie sind Leute in einer virtuellen Kneipe, geschlafen wird kaum noch. Ich könnte ja im Internet etwas verpassen." Diese Aussage einer jungen Frau beschreibt nach Ansicht von Hintz die vielen Facetten des Problems. Durchschnittlich 35 bis 40 Stunden pro Woche verbrächten Süchtige im Netz; im Vergleich zu den 4 bis 10 Stunden der üblichen Nutzer, die online vor allem nach Informationen suchen. "Süchtige befriedigen im Netz vor allem ihre sozialen Bedürfnisse", erläuterte Hintz. Sie suchten Gesprächspartner und Bestätigung in der virtuellen Welt und vernachlässigten darüber ihr soziales Leben in der Realität. "Vielen Süchtigen ist ihre Isolation bewusst und sie leiden darunter." Die Einsamkeit treibe sie dann aber wieder ins Netz – und wachse dadurch noch mehr.

Als Therapie versuchten Psychologen, die Hintergrundprobleme zu ergründen und zu behandeln, die zu einer übermäßigen Internet-Nutzung führen, berichtete der Experte. Es sei auch wichtig, Alternativen zum Internet zu schaffen, in dem Betroffene dann Schritt für Schritt Kontakte, Bestätigung und Erfolge außerhalb der virtuellen Welt finden – zum Beispiel in einem Sportverein. Manche Therapeuten schlössen mit ihren Patienten auch einen Vertrag, der Online-Zeiten genau festlege. "Schafft ein Betroffener dies, darf er sich dann auch belohnen, zum Beispiel mit einem Kinobesuch", sagte Hintz.

Anlaufstelle: www.onlinesucht.de

(dpa) / (se)