Ein Rundgang auf den Art Hack Days

"Going Dark" war das Motto des Berliner Art Hack Days vom 27. bis 29. September, der Samstagabend mit einer Ausstellung schloss. Viele Exponate stibitzten Bedeutung aus scheinbar sinnlosen Kreisläufen. Elektronik war fast immer Tool, manchmal auch Sujet.

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Von
  • Anika Kehrer
Inhaltsverzeichnis

Gegenüber dem Funkturm am Berliner Alexanderplatz ließen am Samstag ab 19 Uhr unter dem Motto "Going Dark" etwa 30 Stücke in zwei fast leeren Räumen viel Platz frei. Den nahmen im Laufe des Abends und der Nacht rund 1000 Besucher in Beschlag. Sie wanderten herum, beguckten die Exponate oder verstopften schwatzend den Eingang, wo eine kleine Bar aufgebaut war. Drinnen trennten einige herabhängende schwarze Tücher den Raum, damit Klangexperimente sich nicht allzu sehr überlagern, oder damit jemand seine Installation von mehreren Seiten zeigen kann.

Die abschließende Ausstellung des dreitägigen Art Hack Day Berlin zähle rund 1000 Besucher.

(Bild: Michelle O'Brien )

Alles Ausgestellte entstand von Donnerstagabend, 19 Uhr, bis kurz vor Ausstellungsbeginn am Samstag. Die Kürze der Zeit war für einige Teilnehmer, die sich aus Künstlern und Programmierern zusammensetzten, eine eher unübliche Herausforderung. Viele Künstler geben zwar auch Workshops, oder nehmen an mehrere Tage dauernden Art-in-Residence-Gruppen teil. Und die Programmierer kennen natürlich Hackathons. Doch für Konzeption, Probieren und Optimieren für ein mit Bedeutung versehenes Objekt wenden vor allem Künstler normalerweise viel mehr Zeit auf. Den Art Hack Day bezeichneten jedoch viele als positive Herausforderung. Entsprechend unterschiedlich sind die Ergebnisse, von denen vorher kein einziges feststand: Da gab es zum Beispiel einen hüfthoch aufgestellten Quader zu sehen, auf dem sich Hamburger (und Veggie-Burger) stapelten. Ein großer Tisch voller Altbatterien zog Neugierige an, als sei er magnetisch. An den Wänden flitzten rote Laserstrahlen vorbei, und irgendwo quakte ein Teddy-großer Plastikroboter - der stark an Donald Duck erinnerte - agitiert vor sich hin.

Jana Linke und Ralf Baecker leiteten unter dem Namen "The Discrete Channel with Noise" einen Laser mitttels kleiner Spiegeln durch den ganzen Raum.

(Bild: Anika Kehrer)

War am Donnerstagabend gegen 21 Uhr - als der Raum noch noch als Dev-Room mit Tischen und Rechnern aufgebaut war - die Stimmung gesprächig, wuselig und entspannt gewesen, hatten am Freitagabend eher konzentriertes Tippen, Löten und Befestigen den Raum erfüllt. Jana Linke und Ralf Baecker aus Berlin zum Beispiel hatten da gerade begonnen, ihre raumumkreisende Laserpointerinstallation an den Wänden auszurichten. Auskünfte lehnten sie freundlich ab ("Das ist jetzt eher eine Phase des Nichtgestörtwerdenwollens, sorry").

Am Samstagabend endlich wanderten sie gelöst über die Ausstellung. "Ich hatte mich gefragt, wie es bei dem Art Hack Day sein soll, wo 50 Künstler in einem Raum sind. Dann hat wohl jeder nur 10 Quadratzentimeter an Raum, den er bespielen kann", kann Jana Linke jetzt erklären. "Das ist natürlich übertrieben. Aber wir überlegten dann, wie wir von 10 Quadratzentimetern aus den Raum erobern können." So entstand die Idee von kleinen Spiegeln an der Wand, die rund um den Raum einen Laserstrahl fortsetzen - eine Raumeroberung. Gekoppelt war die Lichtlinie an einen Tongenerator, der jedes Mal, wenn der Kreis durch eine Person unterbrochen wird, ein Knattern ausgibt. Natürlich mit Latenz, erklärte Ralf Baecker: "Die Unterbrechung pflanzt sich ja jedes Mal fort."

Tina Tonagel beäugte noch kurz vor Ausstellungsbeginn ihre Schatten werfenden Kühlschrankgitter namens "Shady place". "Ich hätte gern eine stärkere Lichtquelle gehabt", sagte sie, "damit sich die Schatten besser überlagern." Bei ihrem Objekt hingen zwei Gitter senkrecht an Schnüren und bewegen sich gegenläufig auf und ab, angeschoben durch ein Motor-Modul für das Arduino-Board, das oben an der Halterung steckte. Das vordere Gitter trug am unteren Rand eine kleine Neonröhre, die für den Schattenwurf sorgte. Jetzt hockte sich Tonagel hin und dreht an einem Lautsprecherknopf. Unirdische Töne werden hörbar. Sie ändern die Tonlage, und wer länger hinschaute, begriff, dass das etwas mit der Schattenüberlagerung der Gitter zu tun hat.

Tina Tonagel baut aus Kühlschrankgittern und Arduino-Boards eine Licht- und Toninstallation ...

(Bild: Anika Kehrer)

Gestern, als sie noch beim Bauen war, plante die Künstlerin aus Köln, den Scheinwerfer vor den Gittern anzubringen. Doch die kleine Röhre war dann zufällig in einer passenden Größe zur Hand. Die Töne sollten von Weingläsern kommen, deren Rand mit einem Finger umkreist werden. "Das hat sich aber schrecklich angehört", verzog sie Samstag Abend das Gesicht. Sie hat die Töne daher einfach selbst aufgenommen. "Aaah", macht sie vor und lacht.

... bei der die Schattentiefen korrespondierende Töne ausgeben: Der Knopf an der Wand ist ein Lichtsensor und führt zu einem Tonausgagebgerät.

(Bild: Anika Kehrer)

Am Freitag noch mag man sich über eine herumstehende Plexiglasbox gewundert haben, die zusammengeknüllte Zettel enthielt und das Etikett "Dark Matter" trug. Das Ergebnis sah am Samstag dann so aus: Eine bewegliche Plastikfigur stand auf einem Podest. In regelmäßigen Abständen begann sie, ihre Glieder hin und her zu bewegen, und aus ihrem schnabelähnlichen Mund sind Geschichten zu vernehmen wie: "Ich sollte auf meinen kleinen Bruder aufpassen, aber ich habe ihn allein gelassen. Dann passierte ..." Dark Matter, oder eben "Darkleaks", wie der Name am Ende lautete: dunkle Geheimnisse, die während der Vorbereitung von den Teilnehmern eingesammelt wurden. Jetzt wurde die Figur außerdem von einer kleinen Kamera aufgenommen. Auf der Rückseite dieser "öffentlichen Seite", getrennt durch einen schwarzen Vorhang, landete das aufgenommene Bild während der Ausstellung auf einem Monitor - die "private Seite". Neben dem Monitor stand ein präparierter Laptop. Ein Schild erklärt: "Dark Leaks: Wir laden euch ein, hier eure schwarzen Geheimnisse zu teilen, ohne euch selbst zu enthüllen."

Der Donald-Duck-Verschnitt plaudert auf der "Public Side" der Darkleaks-Installation agitiert Geheimnisse aus.

(Bild: Anika Kehrer)

Hinter dieser Installation stehen Tove Kjellmrark und Andrey Zhukov, die sich beim letzten Art Hack Day in Stockholm kennengelernt und zufällig hier wiedergertroffen haben: "Ich interessierte mich für dunkle Gedanken und die Angst, Dinge laut auszusprechen", erklärte Kjellmrark ihr Projekt "Darkleaks". "Im Internet scheint das jedoch nicht zu gelten, weil man sein Gegenüber nicht sieht." Zhukov ist Spieleentwickler und hat für die Programmierung gesorgt. Sie planen, ihr Exponat im Web fortzuführen, und kauften kurzerhand die Domain - eine Webseite gibt es jedoch noch nicht ("Es hat was von Wikileaks. Wir haben gestaunt, dass die Domain Darkleaks noch frei ist").

Andre Zhukov und Tove Kjellmrark auf der "Private Side" ihrer Darkleaks-Installation (zusammen mit Bengt Sjölén), wo jeder Besucher weitere dunkle Geheimnisse absetzen konnte.

(Bild: Anika Kehrer)

Erst vorgestern kennengelernt haben sich Katrin Caspar aus Berlin und Darsha Hewitt aus Montréal. Sie beschlossen herauszufinden, ob sich aus Altbatterien genug Strom gewinnen lässt, um Licht und Töne zu erzeugen. Caspar arbeitet mit bewegten Objekten und Tonerzeugung, und Hewitt baut technische Gegenstände zu Neuem zusammen. Elektronisches Wissen eignen sich beide selbst an, Hewitt gibt Do-it-Yourself-Workshops darüber. Am Samstag Abend war sie zum Beispiel dabei zu sehen, wie sie einer Gruppe Achtjähriger erklärte, warum einige zusammen gruppierte Batterien LEDs zum Leuchten bringen. Katrin Caspar war derweil mit einem Korb unterwegs und verteilt Give-aways an die Anwesenden (natürlich in limitierter Auflage): Kleine Papiertüten mit einer Altbatterie, auf deren Vorderseite stand: "2013 - Dead Battery Disco". Auf der Rückseite ist ein Mini-Schema aufgemalt. Die Dead Battery Disco ist eines der Batterie-Exponate, das aber nur in einer Live-Vorführung gezeigt wird, von denen es neben den Ausstellungsstücken von mehreren Künstlern eine ganze Reihe gab.

"Nine Lives" nannten Katrin Caspar, Darsha Hewitt und Bengt Sjölén ihre Batterien-Ausstellung.

(Bild: Michelle O'Brien )

In diesem Fall brachten Funken aus Altbatterien ein Knäuel aus Stahlwolle zum Knistern und Funkeln. Der Ausstellungstisch der beiden Künstlerinnen war ein Besuchermagnet und übersät mit verschiedenen Batterie-Experimenten, die eines gemeinsam haben: Aus bereits weggeworfenen Batterien wird mittels verschiedener Schaltungen der letzte Rest an Strom herausgequetscht. Augenfällig: 132 verschaltete, fast leere Batterien erzeugen eine Spannung von 130 Volt. Die meisten dieser Aufbauten verwirken noch während der Ausstellung ihr Leben, weil der Reststrom nicht lange reicht. "Going Dark" eben. Was bleibt, ist hingegen die "Wall of Fame": Während die beiden nämlich in ihrem allerersten Schritt die eingesammelten Altbatterien säuberten, fanden sie so schöne Aspekte an ihnen, dass eine Batteriengalerie zum Teil ihrer Ausstellung wurde.

Wer bei dem Performance-Exponat "There will be burgers" einen Burger kaufte, dessen Burger wurde namentlich gekennzeichnet als Foto ins Web hochgeladen.

(Bild: Anika Kehrer)

Und was ist mit den Hamburgern? Unter dem Namen "There will be Burgers" hatten fünf Projektler am Freitag begonnen, über ihre vorbereitete Webseite Hamburger (und Veggie-Burger) zu verkaufen. Zur Ausstellung wurden die Burger dann nebenan bei McDonalds besorgt. Die Namen der Käufer wurden auf die verpackten Burger projiziert, fotografiert und die Bilder auf die Webseite hochgeladen. Die Burger wanderten anschließend auf das besagte Podest im Ausstellungsraum und waren als Pyramide zu bestaunen. Das Geld soll an die Künstler gehen. Was mit den Hamburgern geschieht, wollten die Macher am Freitag noch nicht verraten. Das Rätsel wurde mittlerweile gelöst: Jeder Anwesende, der Lust auf einen tendenziell kalten Burger hatte, durfte sie Samstag aufessen. (phs)