Green-Card-Diskussion: Der DGB meldet sich zu Wort
Hintergrund: Der Streit um die von Bundeskanzler Schröder vorgeschlagene "Green Card" für ausländische EDV-Spezialisten nimmt kein Ende.
Der Streit um die von Bundeskanzler Schröder vorgeschlagene "Green Card" für ausländische EDV-Spezialisten nimmt kein Ende. Nachdem sich die Einzelgewerkschaften bislang offensichtlich nicht auf eine einheitliche Linie einigen konnten, meldet sich nun der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) zu Wort. Ursula Engelen-Kefer, stellvertretende Vorsitzende des DGB, erklärte in einem dpa-Gespräch, verschiedene Indikatoren deuteten darauf hin, dass der Mangel an IT-Fachleuten rückläufig sei. Gleichzeitig rief Engelen-Kefer, beim DGB für Arbeitsmarktpolitik zuständig, die EDV-Branche dazu auf, ihre "Jugendfixiertheit" aufzugeben und auch Arbeitskräften mit 40 Jahren oder mehr eine Chance zu geben.
Die DGB-Vize warf den Unternehmen vor, dass sich die Versäumnisse in der Aus- und Weiterbildung jetzt rächen würden. Etwa 10.000 Jugendliche seien 1999 bei der Suche nach einem entsprechenden Ausbildungsplatz leer ausgegangen; die Zahl der neuen Ausbildungsverhältnisse sei im vergangenen Ausbildungsjahr lediglich um 4.000 gestiegen. "Über die Kurzatmigkeit betrieblicher Ausbildungspolitik könne man sich nur wundern", kommentierte Engelen-Kefer.
Gleichzeitig sprach sich Engelen-Kefer gegen eine generelle Öffnung der Grenzen für ausländische Arbeitskräfte aus. Der Bedarf an EDV-Spezialisten wird nach Ansicht der Gewerkschaftsfunktionärin in absehbarer Zeit wieder zurückgehen: Veröffentlichungen während der CeBIT zeigten "deutliche Bremsspuren" bei den Gehältern in der IT-Branche -- das deute auf eine nachlassende Verknappung hin. Der Fachkräftemangel behindere zudem nach Studien die Geschäfte der Branche weniger als noch vor einem Jahr. Außerdem sei das Instrumentarium zur Anwerbung ausländischer Arbeitnehmer schon jetzt flexibler als allgemein bekannt. Es wäre fahrlässig, die Einreise ausländischer Spezialisten generell zu erleichtern, ohne den eigentlichen Schwerpunkt auf die Aus- und Weiterbildung inländischer Fachleute zu setzen.
Berichte in der Presse der letzten Tage sehen allerdings schon seltsame Allianzen in der Diskussion um die so genannte "Green Card". So schrieb die Süddeutsche Zeitung heute: "Dass gerade das Arbeitsministerium, die Bundesanstalt für Arbeit und der DGB gegen die Green-Card-Initiative Front machen, soll vielleicht vom eigenen Versagen [bei der Arbeitsmarkt- und Weiterbildungspolitik] ablenken." Zudem: wenn der DGB ausgerechnet mit dem nicht gerade als Gewerkschaftsfreund bekannten bayerischen Ministerpräsidenten Stoiber gemeinsam Sturm läuft gegen Arbeitserlaubnisse für ausländische IT-Spezialisten, wirft das nach Meinung vieler Beobachter zumindest ein seltsames Licht auf die Debatte. Die Argumentation des DGB mit deutschen Arbeitslosen könnte von interessierten Kreisen nur zu schnell zur Panikmache vor einer Ausländerschwemme benutzt werden.
Insofern erscheint die Haltung von Arbeitsminister Riester inzwischen recht vernünftig, der erst einmal fundierte Zahlen über die tatsächliche Arbeitsmarktsituation in der IT-Branche erheben möchte. Denn momentan wirft anscheinend jede der beteiligten Parteien mit den Daten um sich, die gerade zur Argumentationsschiene passen -- eine Diskussion über ein allgemeines Einwanderungsgesetz wird dabei zurzeit geflissentlich vermieden. So lange die Behörden blockten und man nicht wisse, wie ernst es der Politik mit dem Green-Card-Vorstoß tatsächlich sei, bleibe fraglich, ob Deutschland tatsächlich genügend Personal für die vielen erwarteten "E-Jobs" finde, kommentierte die Süddeutsche. (jk)