Linux.sucks oder Microsoft.sucks?

Das Consumer Project on Technology fordert die ICANN auf, neue Top-Level Domains zur Förderung der Kritik und der Meinungsfreiheit einzuführen.

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Von
  • Florian Rötzer

Seit Jahren wird schon darum gekämpft, neue Top-Level Domains einzuführen, doch bislang wurden alle Vorschläge abgelehnt, um die "Stabilität" des Systems zu erhalten. Vor allem die .com-TLDs werden ebenso knapp, wie sie begehrt sind. Domainnamenkonflikte häufen sich, zumal sich die vorsorgliche Registrierung von Domainnamen manchmal als gutes Geschäft erwiesen hat oder man versucht, möglichst viele mit einem Namen verbundene Variationen des Domainnamens zu schützen, um Plagiaten oder Karikaturwebsites den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Die sieben internationalen und 250 nationalen TLDs bieten zwar die Möglichkeit, die Konkurrenz um einen Domainnamen zu entschärfen und prinzipiell auf verschiedenen Ebenen auch gleiche Namen vergeben zu können, aber das Begehren auf eine umfassende Inbesitznahme des Namens in allen Variationen scheint doch sehr groß zu sein. Die ICANN hat inzwischen mehrere Schiedsgerichte zur Lösung von Domainnamenkonflikten zugelassen, darunter auch ein Online-Schiedsgericht der WIPO, das aber eher zugunsten der Firmen zu entscheiden scheint, die ihren Markennamen als Domainadresse nicht nur etwa in dem eigentlich dafür zuständigen Bereich der .com-TLDs sichern wollen, sondern auch in allen anderen internationalen TLDs wie .org oder .net.

Auf dem Hintergrund dieser Tendenz, hat das von Ralph Nader gegründete Consumer Project for Technology ([cptech.org CPT]) bei der ICANN Vorschläge für die Einrichtung weiterer internationaler TLDs eingereicht, was sicher für neue Diskussionen sorgen und alte Vorschläge wieder hervorkommen lassen wird. Die Organisation schlägt vor, eine weitere nichtkommerzielle Institution namens "Essential Information" anzuerkennen, die die vorgeschlagenen TLDs registrieren und mit den dabei erzielten Gebühren dafür sorgen soll, dass die Meinungsfreiheit im Internet gefördert wird. CPT schlägt die Einrichtung von TLDs vor, die ausdrücklich für Betreiber von Websites gedacht sind, die sich beispielsweise kritisch gegenüber Firmen, Institutionen oder Organisationen äußern wollen. Damit die Eigentümer von Markennamen nicht Kritik oder Opposition durch Übernahme aller Domainnamen in allen TLDs zumindest im Bereich der Namen unterdrücken können, soll "Essential Information" dafür sorgen, dass die jeweils ins Korn genommenen Firmen oder Organisationen den Domainnamen in den neuen TLDs nicht registrieren können.

Vorgeschlagen werden von CPT 10 neue TLDs: .union für gewerkschaftliche Belange (microsoft.union, exxon.union ...), .customers für Kunden bestimmter Firmen (ford.customers oder opel.customers), .complaints für Informationen über Beschwerdeverfahren oder Praktiken von Unternehmen), .ecology und .isnotgreen für Umweltgruppen, um auf mangelhaften Umweltschutz bei Firmen oder Regierungen hinzuweisen, .isnotfair für Bürgerrechtsgruppen oder Beschwerden über den Umgang von Firmen oder Behörden mit ihren Angestellten, .shareholders für Aktienbesitzer, die bei einem Unternehmen etwas durchsetzen wollen, .unite für Organisation von Bürgergruppen in der Zivilgesellschaft und schließlich .sucks, um wie bei Telepolis.sucks, Linux.sucks oder Microsoft.sucks der Kritik an einer Firme, Organisation oder Regierung zum Ausdruck zu verhelfen, wobei diese TLD nicht gegenüber dem Eigentümer eines Domainnamens zum Einsatz kommen, sondern auch allgemeinen Zwecken dienen soll: work.sucks, life.sucks oder television.sucks.

Das Thema neuer Domainnamen wird auch Gegenstand des in Kürze stattfindenden ICANN-Treffens in Kairo sein. Falls trotz aller Bedenken die Vorschläge des CPT aufgegriffen werden sollten, ist zu erwarten, dass der Druck steigen wird, weitere TDLs einzuführen, wie sie schon lange gefordert werden. Auch die EU fordert zur Demonstration der Einheit und Identität eine .eu.TDL (EU-Kommission fordert die Top Level Domain .eu).

Mehr in Telepolis: Telepolis.sucks. (fr)