CDU-Schulministerin will Ende von Lehrerbewertungen im Internet

Haben Schüler das Recht, ihre Lehrer selbst mit Noten zu bewerten und die Ergebnisse dann im Internet zu veröffentlichen? Diese Frage schlägt derzeit hohe politische Wellen in Nordrhein-Westfalen.

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Von
  • Peter-Michael Ziegler

Haben Schüler das Recht, ihre Lehrer selbst mit Noten zu bewerten und die Ergebnisse dann im Internet zu veröffentlichen? Diese Frage schlägt derzeit hohe politische Wellen in Nordrhein-Westfalen. Hintergrund ist die juristische Auseinandersetzung zwischen den Betreibern des Internetforums Spickmich.de und einer Gymnasiallehrerin aus Neukirchen-Vluyn am Niederrhein.

Spickmich.de wird von drei Kölner Studenten betrieben und sieht sich als "Ort für Meinungsäußerungen und den Austausch von Schülern untereinander". Schüler können dort Bewertungen von Lehrern in Form von Schulnoten zu verschiedenen Kategorien abgeben. Eigenen Angaben zufolge sind bei Spickmich.de mehr als 150.000 einzelne Lehrernoten hinterlegt – darunter auch Benotungen der Gymnasiallehrerin.

Diese war von Schülern lediglich mit einer Gesamtnote von 4,3 bewertet worden. Weil sie sich dadurch verunglimpft und in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt fühlte, beantragte sie eine einstweilige Verfügung gegen die Veröffentlichung ihres Namens und der von ihr unterrichteten Fächer. Das Landgericht Köln lehnte den Antrag jedoch im Sommer mit der Begründung ab, die Lehrerin müsse eine Benotung durch Schüler hinnehmen, solange keine diffamierende Schmähkritik geäußert werde.

Dagegen legte die Lehrerin wiederum Berufung ein, sodass sich das Oberlandesgericht Köln vor zwei Wochen mit der Sache beschäftigen musste. Zwar fällte das Gericht noch kein endgültiges Urteil in der Sache, in einer vorläufigen Bewertung bezeichnete der Vorsitzende des 15. Zivilsenats, Dr. Axel Jährig, das vorherige Urteil des Landgerichts aber "als zutreffend". Geklärt werden müsse allerdings noch, inwieweit die Lehrerbewertung etwa durch Außenstehende manipuliert werden könne. Insgesamt werde die Bedeutung der Benotung aber möglicherweise überschätzt.

Der Vorsitzende Richter erklärte aber auch, er halte eine Entscheidung durch den Bundesgerichtshof oder das Bundesverfassungsgericht in der Sache durchaus für hilfreich. Zwar habe Spickmich.de teilweise einen konkreten Sachbezug zum Unterricht, betroffen sei aber auch die Persönlichkeit des jeweiligen Lehrers in ihren Ausprägungen und damit auch dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht. Momentan neige der Senat nach seiner vorläufigen Meinung aber nicht dazu, die Entscheidung des Landgerichts auszuhebeln. Ein Urteil soll am 27. November ergehen.

Die nordrhein-westfälische Schulministerin Barbara Sommer (CDU) forderte am Wochenende in der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) aber bereits ein Ende der Lehrerbenotung im Internet. Schüler wollten sich ja auch nicht öffentlich benoten lassen, erklärte Sommer gegenüber der WAZ. Zwar halte sie viel davon, "dass Schüler ihren Lehrern rückmelden, wie sie den Unterricht erleben", Kritik sollte aber immer im Austausch innerhalb der Schule erfolgen und konstruktiv sein. "Wenn ich mein Gegenüber erst mal öffentlich vorführe, kann ich schwerlich einen offenen Dialog erwarten", sagte die Ministerin.

Auch die frühere NRW-Schulministerin Ute Schäfer (SPD) sprach sich gegen Bewertungsportale wie Spickmich.de, "wo jeder rein kann", aus. Grünen-Schulexpertin Sigrid Beer hält das Internetportal hingegen für einen Reflex auf die Wiedereinführung von Kopfnoten, also Bewertungen wie "Mitarbeit" oder "Betragen". "Wenn Schüler sich das gefallen lassen müssen, bekommen auch Lehrer eine Rückmeldung", sagte Beer der WAZ. Dies dürfe aber nicht als Rechtfertigung für Auswüchse bei Internet-Zeugnissen für Lehrer dienen. Beleidigungen, Schmähungen oder Herabwürdigungen hätten dort nichts zu suchen.

Gegen solche Vorwürfe wehren sich wiederum die Betreiber von Spickmich.de: "Wir achten auf Fairness. Beleidigungen haben bei uns keinen Platz und sind auch von den Schülern nicht gewollt", erklärt Tino Keller, einer der Initiatoren von Spickmich.de. Die Forderung nach einem Ende des Portals sei "ein klarer Angriff auf das richterlich mehrfach bestätigte Recht auf freie Meinungsäußerung". Schüler hätten das Recht, ihre Meinung über die Leistungen und das Auftreten ihrer Lehrer auszutauschen.

Dass pubertierende Jugendliche aber längst nicht nur Engelchen sind, zeigt die Tatsache, dass die Bezirksregierung Düsseldorf im August eine Beschwerdestelle für Internet-Mobbing im Schulbereich eingerichtet hat, bei der sich den Angaben zufolge seitdem täglich mindestens ein Lehrer meldet, der sich im Internet verunglimpft fühlt. Meist handelt es dabei um heimlich mit dem Handy gefilmte Videos aus dem Unterricht, die dann ins Netz gestellt werden. (pmz)