Medizin-Nobelpreis für die Entdeckung der Zell-Logistik

Der diesjährige Nobelpreis für Medizin und Physiologie geht an die US-Forscher James Rothman und Randy Schekman sowie den Deutschen Thomas Südhof. Sie haben entdeckt, wie Zellen die Beförderung von Substanzen mit Hilfe winziger Transportbläschen organisieren.

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Von
  • Veronika Szentpetery-Kessler

Der diesjährige Nobelpreis für Medizin und Physiologie geht an die US-Forscher James Rothman und Randy Schekman sowie den Deutschen Thomas Südhof. Sie haben entdeckt, wie Zellen die Beförderung von Substanzen mit Hilfe winziger Transportbläschen organisieren.

Zellen sind wie winzige Fabriken. Sie produzieren Stoffe für ihren eigenen Bedarf, exportieren diese aber auch und importieren zudem andere Substanzen. Wie aber sorgen sie dafür, dass die richtigen Substanzen – zum Beispiel das Hormon Insulin oder Neurotransmitter in Gehirn – zur richtigen Zeit am richtigen Ort sind und dort auch aufgenommen werden? Oder dafür, dass ein Enzym nur in einem bestimmten Organell der Zelle – so heißen ihre Organe – wirksam wird? Für die Entdeckung und Aufklärung dieses Transportsystems, das die Stoffe in winzigen, membranumhüllten Bläschen (sogenannten Vesikeln) verschickt, erhalten zwei US- und ein deutscher Forscher den diesjährigen Nobelpreis für Medizin und Physiologie – James Rothman von der Yale University, Randy Schekman von der University of California in Berkeley sowie Thomas Südhof von der Stanford University.

Die Nobelpreisträger Thomas Südhof (links) und Randy Schekman

(Bild: S. Fisch / H. Goren. © HHMI)

Die Transportbläschen lassen sich mit Chemietransportern vergleichen. Sie schirmen ihre Fracht während des Transports mit einer Membran, die der Zellmembran ähnelt, sorgsam ab. Ihren Zielort erkennen sie mit Hilfe spezieller Andockproteine: Sowohl das Ziel als auch sie selbst tragen die Vesikel in der Membran. Passen sie zusammen, verbinden sie sich wie zwei Hälften eines Reißverschlusses. Anschließend verschmelzen beide Membranen ungefähr so, wie Wasserbläschen auf der Wasseroberfläche sich wieder einfügen. Dieses Verschmelzen findet aber nicht automatisch statt, sondern präzise erst dann, wenn ein molekularer Zeitschalter der Zielzelle das Signal dafür gibt. Nach demselben Prinzip funktioniert das Andocken auch innerhalb einer Zelle, wenn ein Organell das Ziel ist. Denn die Organe der Zelle sind ebenfalls mit einer Membran umgeben.

Randy Schekman entdeckte erste Hinweise für das Logistiksystem der Zellen, als er in den Siebziger Jahren Hefezellen untersuchte. In bestimmten Zellkompartimenten fand er sonderbare Anhäufungen der kleinen Bläschen. Wie sich herausstellte, waren sie das Ergebnis von Mutationen, die zu einem Transportstau führten. Später in den achtziger und neunziger Jahren identifizierte James Rothman in Säugerzellen die Andockproteine für die Bläschen und erkannte, wie das Verschmelzen funktionierte. Der Deutsche Thomas Südhof schließlich interessierte sich für die Kommunikation zwischen Nervenzellen. Die dafür eingesetzten Signalmoleküle (sogenannte Neurotransmitter) werden ebenfalls in Vesikeln von einem Neuron zum nächsten verschickt. Südhof klärte bei Nervenzellen die Natur des molekularen Timers auf: Erst wenn ein Einstrom von Kalziumionen stattfindet, löst die Zielzelle den Verschmelzungsprozess aus.

Medizinische Therapien lassen sich aus den Entdeckungen noch nicht ableiten. Doch immer mehr Erkenntnisse über Fehler im zellulären Transportsystem haben dabei geholfen, die Entstehung von ernsten neurologischen und Stoffwechsel-Krankheiten zu verstehen und sie zu diagnostizieren. Darüber hinaus erklären die Forschungsergebnisse von Rothman, Schekman und Südhof, wie Bakteriengifte – etwa das Tetanus- und das Botulinus-Toxin – wirken. Beide schädigen den Zelltransport so stark, dass es zum Tod kommt. (vsz)