Bewegung in der "Green-Card"-Debatte

Hintergrund: Eine Kommission beim Arbeitsministerium soll bis zum 9. März Vorschläge für eine "Green Card" für ausländische IT-Spezialisten erarbeiten.

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  • JĂĽrgen Kuri

Nachdem sich gestern auch die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ursula Engelen-Kefer in der Diskussion um Arbeitserlaubnisse für ausländische IT-Spezialisten zu Wort gemeldet hatte, kommt nun Bewegung in die Diskussion um eine so genannte "Green Card" zur Behebung des Facharbeitermangels in der EDV-Branche. Der Spiegel berichtet in seiner morgigen Ausgabe, dass eine Kommission unter der Führung des Arbeitsministeriums bis zum 9. März ein Konzept vorlegen soll. Das Magazin spekuliert, dass Bundeskanzler Schröder bereits vier Tage später, während eines Treffens mit den Gründern der Initiative D21, einen Vorschlag für die konkrete Umsetzung einer "Green Card" vorlegen will. Die Aktion D21, unter Führung des Chefs von IBM Deutschland Erwin Staudt, will in den nächsten zwei Jahren 40.000 Schulen ans Internet anschließen und mit Computern ausstatten.

Auch innerhalb der rot-grünen Bundesregierung scheinen sich die Wogen zu glätten. Kanzleramtschef Frank-Walter Steinmeier soll die unterschiedlichen Positionen von Wirtschafts-, Bildungs- und Arbeitsministerium unter einen Hut bringen. Und selbst Bundesinnenminister Otto Schily, bislang in der Ausländerpolitik eher durch Sprüche aufgefallen, dass "die Grenzen der Belastbarkeit überschritten" seien, beendet sein bisheriges Schweigen in der "Green-Card"-Debatte und fordert ein Einwanderungsgesetz. Der Spiegel zitiert ihn mit den Worten, Schröders zeitlich befristete "Green Card" dränge "die Leute nur nach Amerika ab", wo sie eine echte Niederlassungsoption erhielten. Der Aufenthalt für Arbeitsmigranten müsse deshalb eine "auf Dauer angelegte Regelung sein".

Damit kommt Schily den Forderungen von Fachleuten entgegen. So sprach sich der Osnabrücker Migrations-Experte Professor Klaus Bade für eine umfassende Einwanderungsgesetzgebung aus. Ein auf wenige Jahre begrenztes Angebot zur vorübergehenden Einwanderung nehme deutschen Unternehmen die Chance, international anerkannte Topleute zu verpflichten. "Die kommen nicht, wenn sie hinterher wieder hinausgeworfen werden", erklärte er gegenüber dpa. Es dürfte tatsächlich keine verlockende Vorstellung für ausländische IT-Spezialisten sein, drei oder vier Jahre in Deutschland zu arbeiten, um anschließend in Abschiebehaft zu landen...

Auch in der Wirtschaft mehren sich die Stimmen, die eine auf wenige Jahre begrenzte "Green Card" für zu kurz gegriffen halten. Der Finanzvorstand von DaimlerChrysler, Manfred Gentz, erklärte in einem Interview mit der B.Z. am Sonntag, eine Arbeitserlaubnis von zwei oder drei Jahren sei möglicherweise zu kurz. Man dürfe aber auch nicht den Fehler der 60er-Jahre wiederholen, Gastarbeiter in großer Zahl anzuwerben. Probleme, dass eine zeitlich befristete "Green Card" einen möglichen Arbeitskräftemangel nicht beheben könnte, sieht der Bochumer Innovationsforscher Professor Erich Staudt noch auf einer anderen Ebene. Vor allem in Russland und Indien sei das Potenzial an High Tech-Kräften durch Anwerbungen dezimiert. "Die Amerikaner waren schon da", kommentierte Staudt.

Die Gewerkschaften dagegen halten bislang von dem Schröder-Vorstoß wenig. Nach DGB-Vize Engelen-Kefer, die sogar einen rückläufigen Fachkräfte-Bedarf sieht, äußerten sich auch Sprecher der Einzelgewerkschaften skeptisch. IG-Metall-Chef Klaus Zwickel kritisierte, es werde der Versuch unternommen, eigene Versäumnisse mit einer kurzsichtigen Lösung zu kaschieren und andererseits die billigste Lösung für die deutsche Wirtschaft zu suchen. Auch der ÖTV-Chef Herbert Mai warnte vor einer generellen Anwerbung ausländischer Fachkräfte und der gleichzeitigen Vernachlässigung der vereinbarten Ausbildungsverbesserungen.

Die Gewerkschaften befinden sich mit dieser Kritik auf einer Linie mit der CDU/CSU und der Mehrheit der bundesdeutschen Bevölkerung. Der frühere Bundesbildungsminister Jürgen Rüttgers und jetzige CDU-Chef in Nordrhein-Westfalen nannte die "Green-Card"-Idee ein "Armutszeugnis" angesichts der vier Millionen Arbeitslosen in Deutschland. Und CSU-Chef Edmund Stoiber sprach von einer "Bankrotterklärung der Politik". Der bayerische Landeschef ruderte aber gleich wieder etwas zurück: Seine Regierung stehe der Schröder-Initiative nicht im Wege.

56 Prozent der Bundesbürger würden allerdings der Gewerkschafts- und CDU/CSU-Linie zustimmen: So viele halten nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts dimap die Idee für falsch, ausländische Computer-Experten nach Deutschland zu holen; nur 37 Prozent finden die Idee dagegen richtig. Unter den Arbeitslosen ist die Ablehnung noch deutlicher: 75 Prozent sprachen sich gegen die "Green Card" aus. Bislang ließ sich aber weder die Wirtschaft noch Bundeskanzler Schröder von der Kritik und der ablehnenden Haltung der Bevölkerung irritieren. Ob letztlich aus der "Green-Card"-Idee ein befristetes Angebot für eine Art High Tech-Aushilfsjob oder tatsächlich eine generelle Einwanderungspolitik entwickelt wird, dürfte sich spätestens zeigen, wenn die Kommission des Arbeitsministeriums erste Ergebnisse ihrer Überlegungen vorstellt. (jk)