Galileo-Projekt kommt endlich wieder in Schwung

Das Europa-Parlament wird voraussichtlich Ende April über eine bereits von den EU-Verkehrsministern abgesegnete Verordnung zur Fortführung des europäischen Satellitennavigationsprojekts Galileo und die Erweiterung EGNOS abstimmen.

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Von
  • Peter-Michael Ziegler

Nachdem sich die 27 EU-Verkehrsminister bereits am Montag einstimmig über die Verabschiedung eines Grundlagenpapiers (PDF-Datei) verständigt hatten, in dem neue Regeln für den Aufbau des geplanten Satellitennavigationssystems Galileo und die Erweiterung EGNOS definiert sind, und der Industrieausschuss im Europa-Parlament diese Verordnung gestern angenommen hat, liegt es nun an den Straßburger Abgeordneten, das Galileo-Projekt nach Monaten der Zerstrittenheit und Blockade wieder in Schwung zu bringen. Stimmt das Plenum der Verordnung wie erwartet Ende April zu, sollen erste Aufträge noch vor der Sommerpause ausgeschrieben werden.

Die Aufträge für das Galileo-System, das später einen kostenlosen offenen Navigationsdienst (Open Service), einen sicherheitskritischen Dienst (Safety of Life Service), einen kommerziellen Dienst (Commercial Service) und einen verschlüsselten, öffentlich regulierten Dienst (Public Regulated Service) bereitstellen soll, der "ausschließlich staatlich autorisierten Benutzern" vorbehalten ist, werden für sechs Hauptbereiche ausgeschrieben, wobei kein Industriekonsortium für mehr als zwei Bereiche bieten darf. Außerdem müssen die Unternehmen jeweils 40 Prozent des Gesamtwerts der Tätigkeiten an kleine und mittelständische Firmen (KMUs) abgeben, die nicht zu den Konsortien gehören.

Unterteilt wird das Projekt in die sechs Hauptarbeitspakete "Systemtechnische Unterstützung", "Fertigstellung der Missionsinfrastruktur am Boden", "Fertigstellung der Infrastruktur für die Bodenkontrolle", "Satelliten", "Starteinrichtungen" und "Betrieb". Um eine Abhängigkeit von einzelnen Unternehmen zu vermeiden, sieht die Verordnung zudem vor, "dass auf doppelte Beschaffungsquellen zurückgegriffen wird, wo immer dies zweckdienlich ist". Das soll helfen, Kosten und Zeitplan unter Kontrolle zu halten. Spätestens 2013 soll die Errichtungsphase von Galileo enden und die Betriebsphase (Management, Instandhaltung, Standardisierung, Vermarktung des Systems) beginnen.

Die Errichtungsphase wird mit 3,405 Milliarden Euro von der EU finanziert – "unvorhergesehene finanzielle Verpflichtungen" sind dabei nicht berücksichtigt. Die durch den kommerziellen Galileo-Dienst erwirtschafteten Einnahmen sollen der Europäischen Gemeinschaft zufließen. Was die Betriebsphase nach 2013 betrifft, heißt es in dem Grundlagenpapier, "es könne zu einem späteren Zeitpunkt entschieden werden, ob für den Betrieb und die Erweiterung des Systems [...] öffentlich-private Partnerschaften oder andere Formen der Auftragsvergabe an die Privatwirtschaft in Frage kommen". Dann würden die Einnahmen geteilt.

Den Betrieb des EGNOS-Systems (European Geostationary Navigation Overlay Service), das aus zahlreichen Bodenstationen (Ranging and Integrity Monitoring Statios, RIMS) sowie mehreren auf geostationären Satelliten installierten Transpondern besteht und zur Überwachung und Korrektur von Navigationssignalen (GPS, GLONASS und später auch Galileo) dient, will die EU hingegen selbst finanzieren. Durch EGNOS lässt sich die Genauigkeit von Positionsbestimmungen beispielsweise per GPS derzeit auf 1 bis 3 Meter steigern. Die RIMS, deren Position exakt bekannt ist, messen dazu Differenzen zwischen tatsächlichen Standorten und vom GPS ermittelten Positionen. Verzerrungseinflüsse etwa in der Ionosphäre lassen sich dadurch entdecken und rechnerisch korrigieren. Die Daten werden als zusätzliches Korrektursignal über GPS-unabhängige Satelliten (Inmarsat, Artemis) ausgestrahlt.

Mit der Einigung hätten die Mitgliedsstaaten die letzte Hürde zur Realisierung von Galileo genommen, freute sich Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee. Jetzt sei die deutsche Raumfahrtindustrie am Zug. Tiefensee will am 29. April in Potsdam eine Anwenderkonferenz veranstalten, bei der sich interessierte Unternehmen über die Potenziale von Galileo informieren können. Ziel sei es, bereits frühzeitig die Entwicklung von Galileo-Anwendungen anzuregen und deren Marktvorbereitung zu unterstützen. Noch vor der Konferenz soll endlich der zweite Galileo-Experimental-Satellit "Giove B" in eine Erdumlaufbahn befördert werden, dessen Start eigentlich schon für das Jahr 2006 geplant war. Giove B soll am 27. April an Bord einer russischen Trägerrakete vom kasachischen Weltraumbahnhof Baikonur ins All starten.

Russland hofft ebenfalls auf Aufträge im Rahmen des Galileo-Projekts. Nach Angaben der Nachrichtenagentur RIA Novosti sollen russische Unternehmen am Aufbau der Galileo-Infrastruktur sowie von tragbaren Navigationsgeräten und deren Anpassung an das russische System GLONASS beteiligt werden. Dies habe der Chef der Aufsicht über europäische Satellitennavigationsprogamme bei der EU-Kommission, Pedro Pedreira, bei einer Konferenz in Moskau erklärt. Laut neuer Galileo-Verordnung ist eine "Kompatibilität und Interoperabilität von EGNOS und Galileo mit anderen Navigationssystemen und nach Möglichkeit mit konventionellen Navigationsmitteln" ausdrücklich gewünscht. Drittländer oder internationale Organisationen könnten zusätzliche Finanzmittel für das Programm bereitstellen. (pmz)