Datenschützer sieht alle Bundesbürger vom illegalen Datenhandel betroffen

Laut dem Unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz in Schleswig-Holstein sind Kundendaten der gesamten bundesdeutschen Bevölkerung für Marketingzwecke im Umlauf; dazu vagabundierten "10 bis 20 Millionen Kontodaten" illegal in der Call-Center-Branche.

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Die Debatte um den Datenhandel-Skandal und den Super-GAU im Umgang mit Verbraucherinformationen heizt sich weiter auf: Nach Ansicht des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz in Schleswig-Holstein (ULD) sind Kundendaten wie Namen und Adressangaben der gesamten bundesdeutschen Bevölkerung für Marketingzwecke im Umlauf. Zudem "vagabundieren etwa 10 bis 20 Millionen Kontodaten" illegal in der Call-Center-Branche und auf Handelsplattformen im Internet, sagte ULD-Leiter Thilo Weichert der Süddeutschen Zeitung. Die sensiblen persönlichen Daten würden vor allem beim Telefonverkauf, bei Glücksspielen und Preisausschreiben sowie bei Verkaufsbörsen im Netz abgeschöpft. Die Behörden stünden daher bei der Aufdeckung des Skandals nach wie vor am Anfang: "Wir sehen jetzt immer mehr von der Spitze des Eisbergs."

Wie die Zeitung weiter berichtet, ermittelt die Staatsanwaltschaft Köln mittlerweile aufgrund von Strafanzeigen gegen die in Dortmund und Köln ansässige Firma LottoTeam. Das Unternehmen soll aufgrund fingierter Verträge aus Call-Centern die Konten von Verbrauchern geplündert haben. "Wir haben ein Ermittlungsverfahren wegen Betrugsverdachts eingeleitet", bestätigte Oberstaatsanwalt Günther Feld der Süddeutschen Zeitung. Er gehe davon aus, dass gegen die Firma zwischenzeitlich "überall in Deutschland Strafanzeigen vorliegen werden".

Die Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein, der ein Call-Center-Mitarbeiter die erste CD mit 17.000 Kundendatensätze zuspielte und damit die Enthüllungen ins Rollen brachte, geht davon aus, dass vor allem in Wirtschaftsunternehmen Personendaten abgeschöpft werden. Die Kieler wollen aber auch belastbare Indizien dafür vorliegen haben, dass selbst unter Behörden ein illegaler Datenaustausch floriert. Ein Sprecher der Einrichtung erklärte: "Wenn Sie ihr Auto beim TÜV angemeldet haben, steht doch meistens einige Wochen später die GEZ wegen der Anmeldung des Autoradios vor der Tür." Bei einer Wohnungsummeldung verhält es sich ähnlich.

Für den innenpolitischen Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz, ist der Datenmissbrauch dagegen vor allem ein Problem in der Unternehmenslandschaft. "Big Brother lauert eher in der Privatwirtschaft als bei Vater Staat", sagte er der Passauer Neuen Presse. Der Staat sei "sauber, Teile der Privatwirtschaft leider überhaupt nicht". Es gebe akuten Handlungsbedarf, schloss sich der Innenpolitiker vage den Forderungen anderer Vertreter der großen Koalition an. "Der Stellenwert des Datenschutzes muss deutlich vergrößert werden. Wenn nötig, wird es auch gesetzliche Änderungen geben."

Als "äußerst beunruhigend" hat der Hauptgeschäftsführer des Branchenverbandes Bitkom, Bernhard Rohleder, die sich ausweitenden Fälle von Datendiebstahl bezeichnet. Die Ursache sei aber nicht in fehlenden Gesetzen zu suchen: "Was den Verbraucherschutz und den Schutz von Kundendaten angeht, haben wir in Deutschland mit die strengsten Regeln der Welt", betonte Rohleder gegenüber der Berliner Zeitung. Das Instrumentarium sei vorhanden, gleichwohl seien Verstöße immer möglich. Auch das schärfste Gesetz komme gegen kriminelle Energie nicht an. Aus Rohleders Sicht könnte es aber sinnvoll sein, die vorgesehenen Strafen und Bußgelder zu erhöhen, um eine abschreckende Wirkung auf die Täter zu erzielen. Um den Datendiebstahl wirkungsvoller bekämpfen zu können, sei ferner die finanzielle und personelle Ausstattung staatlicher Datenschützer zu verbessern. Aber auch innerhalb der Firmen müsse der betriebliche Datenschutzbeauftragte einen hohen Stellenwert haben.

Zum Skandal um den illegalen Handel mit Kunden- und Kontendaten siehe auch:

(Stefan Krempl) / (jk)