NSA-Skandal: Britische Diplomaten auf der Jagd nach den Snowden-Dokumenten

Die New York Times sollte die Dokumente des NSA-Whistleblowers Edward Snowden herausrücken - die Zeitung lehnte ab. Für den Guardian ist das Vorgehen ein neues Beispiel, wie die britische Regierung Berichterstattung abschrecken will.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 128 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Jürgen Kuri

Offizielle Vertreter Großbritanniens in den USA verlangten von der New York Times, die Redaktion der Zeitung solle ihnen das Material des NSA-Whistleblowers Edward Snowden aushändigen. Die New York Times arbeitet mit der britischen Zeitung The Guardian bei der Berichterstattung über den NSA-Überwachungsskandal zusammen, seit britische Regierungbeamte massiven Druck auf den Guardian ausübten und bei der Zeitung Computer mit Snowden-Dokumenten zerstören ließen.

Jill Abramson, seit September 2011 Chefredakteurin der New York Times berichtete in einem Interview mit dem Guardian, Mitarbeiter der britischen Botschaft in Washington hätten sie direkt nach Verkündung der Zusammenarbeit der beiden Zeitungen angesprochen. Sie seien zuversichtlich gewesen, dass die Zeitung ihnen alles Material mit Bezug zu Edward Snowden aushändigen werde, über das Berichterstattung geplant gewesen sei. "Ich muss wohl nicht betonen, dass ich ihre Argumente erwog und Nein sagte", erklärte Abramson.

Nach Ansicht des Guardian zeigt das Vorgehen erneut, zu welchen Maßnahmen die britische Regierung bereit sei, um von Berichterstattung über die Snowden-Leaks abzuschrecken. Drohungen aber, rechtliche Schritte gegen eine Zeitung zu unternehmen, um Berichterstattung zu verhindern, und die Zerstörung von Computern mit Dokumenten für die Berichterstattung, seien in den USA unwahrscheinlich. Ein Spektakel, bei dem mit Trennschleifern und Bohrmaschinen im Keller einer Zeitung Beweise vernichtet werden, könne man sich in den USA kaum vorstellen, meinte Abramson; in den USA garantiere der erste Verfassungszusatz die Rede- und Pressefreiheit.

Das einzige Beispiel, das mit dem Vorgehen der britischen Regierung gegen den Guardian vergleichbar wäre, sei das Vorgehen gegen die New York Times bei den Pentagon Papers, als eine untere Gerichsinstanz die Veröffentlichung dieser Dokumente über die Verstrickung der USA in den Vietnam-Krieg und die gezielte Irreführung der Öffentlichkeit durch die US-Regierung verbieten wollte. Damals habe das oberste Gericht der USA diese Entscheidung aber aufgehoben. Zwar habe es auch von der Obama-Regierung immer wieder Nachfragen bei der Zeitung gegeben, bestimmte Informationen aus Gründen der nationalen Sicherheit nicht zu veröffentlichen. Man ziehe solche Argumente auch immer wieder sorgfältig in Betracht. In aller Regel aber habe das Informieren der Öffentlichkeit für die New York Times Vorrang.

In Großbritannien ist der Guardian seit der Vernichtung einzelner Computer, die aber keineswegs die Snowden-Dokumente zerstörten, immer weiter von offizieller Seite unter Druck geraten. So beschwerte sich der Chef des britischen Inlandsgeheimdienstes, es sei ein "Geschenk an die Terroristen"wenn die Reichweite und die Grenzen des Auslandsgeheimdienstes GCHQ öffentlich werden. Der britische Premierminister David Cameron begrüßte die Einlassungen seines Geheimdienstchefs. Einige britische Zeitungen – beileibe nicht nur Blätter aus der konservativen Ecke, sondern auch der eher als liberal geltende Independent – nahmen den Vorwurf an die eigene Konkurrenz fast unkommentiert auf.
(jk)