Der Stammbaum des Yetis
Ein britischer Forscher hat Tierhaare untersucht, die von Yeti-Sichtungen stammen. Seine These, dass das Fabelwesen ein Verwandter von Eisbären sei, wird die Legende nicht aus der Welt schaffen.
- Veronika Szentpetery-Kessler
Ein britischer Forscher hat Tierhaare untersucht, die von Yeti-Sichtungen stammen. Seine These, dass das Fabelwesen ein Verwandter von Eisbären sei, wird die Legende nicht aus der Welt schaffen.
Unter welcher Rubrik verbucht man diese Forschung? Ist es ein Kandidat für den IgNobel-Preis – augenzwinkernde Forschung ohne Nutz-, dafür aber mit viel Unterhaltungswert? Oder doch eine einigermaßen wertvolle Erkenntnis – wie jene, die vermeintliche Blutstropfen auf Hostien als Bakterienkolonien enttarnte? Wenn Bryan Sykes Recht hat, ist es vielleicht ein bisschen von beidem. Ein Hybrid, genau wie seine Erklärung für die wahre Identität des Yetis.
Der Genetikprofessor von der University of Oxford hat zwei Tierhaar-Proben untersucht, die von angeblichen Yeti-Sichtungen stammen und zum Teil jahrzehntelang weitergereicht wurden. Sykes extrahierte DNA daraus und verglich sie mit Erbgut-Proben von altertümlichen Tieren. Und Bingo, die DNA wies starke Ähnlichkeit mit der eines Eisbär-Vorfahrs auf, den man in Norwegen gefunden hatte. Dieser lebte vor 40.000 bis 120.000 Jahren, in der sich Eisbären und Braunbären zu getrennten Spezies entwickelten. Beide Arten sind eng verwandt und können bis heute gemeinsame Nachkommen zeugen.
Sykes zufolge könnten die Haarproben aus dem Himalaya also von einem solchen Hybridwesen, genauer gesagt von einem Nachfahren stammen. Ich habe keine Ahnung, ob der Brite der erste mit der Bären-These ist. DNA-Tests wurden jedenfalls schon früher durchgeführt, und sie entlarvten manche Haare denn auch als die einer schlichten Bergziege. Man muss also auf der Hut sein, wenn einem jemand Tierhaare aus dem Himalaya in die Hand drückt.
Ich will gar nicht darüber spekulieren, ob solche Erkenntnisgewinne sinnvoll sind oder ob sich dahinter ein Publicity-Stunt von Professor Sykes verbirgt (auf der Presseseite der University of Oxford fand sich jedenfalls keine Meldung). Immerhin berichtet sogar die BBC darüber. Wer weiß, vielleicht haben einige Yeti-Sichter ihre Geschichte nicht erfunden, sondern aus der Ferne einen Bären gesehen, der – auf seine Hinterbeine gestellt – wie ein riesiger, behaarter Zweibeiner aussah. Ich glaube allerdings nicht, dass dies die Legende aus der Welt schaffen wird. Lieb gewonnene Mythen sind nicht wirklich totzukriegen. Getreu dem Motto: Nur weil man paranoid ist, heißt das noch lange nicht, dass man nicht verfolgt wird. (vsz)