Schäuble will Kampf gegen Kinderpornografie internationalisieren

Der Bundesinnenminister unterstützte während eines EU-Fachministertreffens in Prag einen Plan der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft, einen zentralen "Meeting-Point" einzurichten.

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  • dpa

Bundesinnenminister Wolfang Schäuble (CDU) unterstützte bei einem informellen EU-Fachministertreffen in Prag internationale Bemühungen gegen Kinderpornografie. Der Plan der tschechischen EU-Ratspräsidentschaft, einen zentralen "Meeting-Point" einzurichten, sei richtig. Dort könnte jedermann Informationen hinterlegen. EU-Justizkommissar Jacques Barrot sprach davon, auch eine "Plattform bei Europol zur Beobachtung von Webseiten" installieren zu wollen, um kinderpornografisches Material im Internet aufzuspüren und zu bekämpfen.

Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen, die sich seit November vorigen Jahres für Netzsperren gegen Kinderpornos stark macht, hatte sich nach einem Gespräch mit Providern doch sehr zuversichtlich gezeigt, dass in sechs bis acht Wochen eine mehr oder weniger freiwillige Vereinbarung mit einem Großteil der deutschen Zugangsanbieter zur Blockade kinderpornografischer Webseiten steht. Während eines Gesprächs hatte sie gestern demonstriert, worum es geht: Brutale Vergewaltigungen von Kindern vor laufenden Kameras, per Internet-Mausklick zu "Extrem-Orgien" Minderjähriger, ganz kleine Mädchen, die sich nackt und in aufreizenden Posen als "Lolitas" auf einer blinkenden Bilderseite anbieten.

Die Beispiele, die von der Leyen und skandinavische Kriminalisten am Donnerstag in Berlin präsentierten, schockten die Betrachter. Doch statt dieser Bezahl-Seiten soll künftig auch auf deutschen Computern ein rotes Stopp-Schild erscheinen – wie dies in skandinavischen Ländern und auch in einigen anderen EU-Staaten längst üblich ist. Ermöglichen soll dies noch in diesem Jahr ein in Norwegen entwickeltes Filtersystem, das den Zugriff auf solche Internetseiten verhindert.

Zugleich hat sich von der Leyen mit Innenminister Schäuble und Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) auf eine rechtliche Klarstellung im Telemediengesetz verständigt. Die Deutsche Kinderhilfe, die sich ansonsten zur Politik der Ministerin meist äußerst kritisch äußert, lobte ausdrücklich den hartnäckigen Kampf von der Leyens "gegen die Krake der pädokriminellen Machenschaften im Internet" und gegen die bisherige "Verweigerungshaltung der Internetindustrie".

In Norwegen wird bereits seit 2004 die Zugriffsblockierung mit dem roten Stopp-Schild (Access Blocking) erfolgreich eingesetzt. Dänemark folgte ein Jahr später. Neun Staaten sind inzwischen dabei, darunter auch die Niederlande, Belgien, Schweiz, Italien und Großbritannien. Täglich spüren Kriminalbeamte im Internet nach neuen Kinderporno-Seiten und melden diese zur Sperrung den Providern. International werden Daten ausgetauscht. Allein auf der norwegischen Sperrliste stehen die Adressen von 1000 Internet-Domänen, die regelmäßig überprüft und aktualisiert werden. Bis zu 18.000 Mal am Tag erscheint heute auf norwegischen Computern das rote Stopp-Schild, wenn ein Nutzer versucht, sich in die gesperrte Seite einzuwählen. Die Namen der erfolglosen Nutzer werden aber nicht erfasst.

Bis zu 80 Euro Gebühren im Monat lassen Besucher von Kinderporno- Seiten im Internet dafür von ihren Kreditkarten abbuchen. Weltweit ist inzwischen ein Markt mit Millionenumsätzen entstanden – den von der Leyen jetzt auch in Deutschland "empfindlich stören" will. Denn die ersten skandinavischen Erfahrungen zeigen: Bei weniger Nutzern sinkt die Zahl der Neuproduktionen – und das heißt weniger missbrauchte Kinder. Von der Leyen: "Wir wollen vor allem die Opfer schützen." Denn missbrauchte Kinder blieben lebenslang Opfer. "Das Internet vergisst nicht."

Kinderpornografie ist in Deutschland klar verboten. Selbst "aktives Suchen" danach ist strafbar. Von der Leyen fordert klare Regelungen auch für das Internet. "Es geht ja auch nicht, dass ein Kind auf offener Straße vergewaltigt wird, und Passanten schauen tatenlos zu."

Dabei weiß von der Leyen, dass sie mit ihrem Vorgehen auch eine Debatte auslösen wird, ob ein solcher Sperrfilter nicht zur Zensur anderer Themen und Inhalte im Internet missbraucht werden kann. Und warum nicht gleich Seiten mit verbotenen antisemitischen oder ausländerfeindliche Inhalten sperren? Doch anders als etwa bei Gewaltdarstellungen sieht von der Leyen Kinderpornografie rechtlich als "klar abgrenzbar" an.

Auch in Norwegen hatte es bei der Einführung des Kinderporno- Filters vor fünf Jahren eine breite gesellschaftliche Debatte über mögliche Folgen einer Zensur im Internet gegeben, berichtete der norwegische Fahnder Björn-Erik Ludvigsen. "Kritiker haben uns damals unterstellt, Norwegen wird zu einem zweiten China." Doch heute sei diese Debatte verstummt – und dies aus einem einfachen Grund. "Denn die meisten Menschen werden mangels Interesse an Kinderpornos die Stopp-Seite nie zu Gesicht bekommen."

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(dpa) / (anw)