Täter im Kundendatenskandal ermittelt

Die Staatsanwaltschaft Münster hat einen 22-Jährigen ausfindig gemacht, der einem im Auftrag von Verbraucherschützern tätigen Rechercheur rechtswidrig Millionen von Kontendaten verkauft haben soll.

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Die Staatsanwaltschaft Münster hat einen 22-Jährigen ausfindig gemacht, der einem im Auftrag von Verbraucherschützern tätigen Rechercheur rechtswidrig Millionen deutsche Kontendaten für 850 Euro verkauft haben soll. Bei einer Wohnungsdurchsuchung des Tatverdächtigen am Mittwoch seien ein Rechner und weitere Datenträger sichergestellt worden, teilte die Justizbehörde am heutigen Freitag in einer Erklärung (PDF-Datei) mit. Die aufgespürten CDs enthielten demnach personenbezogene Daten von etwa 5.000.000 Bundesbürgern, zum Teil mit Angaben zu Bankkonten.

Der Beschuldigte hat der Staatsanwaltschaft zufolge angegeben, dass er in verschiedenen Call-Centern gearbeitet und dabei festgestellt habe, dass man mit dem Verkauf von personenbezogenen Daten Geld verdienen könne. Seine Datenhalden habe er aber nicht über die Telefonzentralen, sondern über Kontakte aus dem Internet im Wege des Tauschhandels aufgebaut. Dem Münsteraner drohen nach den Strafvorschriften im Bundesdatenschutzgesetz bis zu zwei Jahren Gefängnis oder eine Geldbuße.

Bei den Strafverfolgern in Münster war am Mittwoch die Anzeige der Hamburger Rechercheakademie wegen illegalen Verkaufs personenbezogener Daten eingegangen, die der Bundesverband der Verbraucherzentrale (vzbv) vor einer Woche mit der Auslotung des Skandals um den florierenden Handel mit Kundendaten beauftragt hatte. Die Verbraucherschützer waren zuvor auf eine Anzeige im Internet gestoßen, in der derartige Informationen zum Kauf angeboten wurden. Nachdem der Rechercheur aus der Hansestadt Kontakt aufgenommen hatte, kam es am Sonntag in Münster zum Abschluss des Geschäfts. Der Tatverdächtige übergab dem Käufer dabei zwei CDs und eine DVD mit Millionen Kundendaten. Darunter befanden sich auch vier Millionen Kontendaten, deren Handel illegal ist. Der günstige Kaufpreis sollte auf ein Konto der Lebensgefährtin des Verdächtigen überwiesen werden. Eine weitere Lieferung stellte der Münsteraner in Aussicht.

Bundesjustizministerin Brigitte Zypries schlug unterdessen gegenüber der Financial Times Deutschland (FTD) vor, im Datenschutzrecht auch Offizialdelikte einzuführen. Damit müssten Polizei und Staatsanwaltschaften beim Verdacht auf entsprechende rechtswidrige Handlungen von sich aus aktiv werden. Bisher können die Behörden nur auf eine Anzeige hin tätig werden. Zuvor hatte sich die SPD-Politiker bereits dafür ausgesprochen, eine strikte Opt-in-Regelung mit aktiver Einwilligung der Verbraucher in die Weitergabe ihrer Daten einzuführen. Zusätzlich brachte Zypries, die bei den Bürgern ein mangelndes Datenschutzbewusstsein beklagte, eine Vermögensabschöpfung ins Spiel. So könnten Gewinne aus solchen rechtswidrigen Geschäften eingezogen werden.

Angesichts der Schnäppchenpreise für umfangreiche Datensätze halten Datenschützer von dieser Idee aber wenig. Für Jan Korte, den Datenschutzbeauftragten der Bundestagsfraktion der Linken, machen die Vorschläge aus Berlin nur deutlich, "dass die Bundesregierung eine umfassende Novelle des Datenschutzrechts verschlafen hat" und nun hektisch zu korrigieren versuche. Nötig sei "eine Kultur, die das Recht auf Privatsphäre achtet". Die innenpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, Gisela Piltz, warf der Regierung vor, neue Vorschläge für den Datenschutz jahrelang auf Eis gelegt zu haben.

Die Affäre um den Schwarzmarkt für Kundendaten hat zudem die Debatte um die elektronische Gesundheitskarte neu angefacht. Das Aktionsbündnis "Stoppt die e-Card" fühlt sich in ihrer Sorge um den Schutz sensiblen Informationen bestätigt und bekräftigt seine Forderung, das IT-Großprojekt einzustellen. "Angesichts der jüngsten Datenschutzskandale muss die geplante Totalvernetzung im Gesundheitswesen per elektronischer Gesundheitskarte dringend gestoppt und ergebnisoffen überprüft werden", forderte eine Sprecherin. Gesundheitsdaten von über 80 Millionen Bürgern seien ein noch viel interessanterer Informationspool als die Daten der Klassenlotterie. Bundesärztekammer und Krankenkassen wiesen die Ängste als unbegründet zurück.

Zum Skandal um den illegalen Handel mit Kunden- und Kontendaten siehe auch:

(Stefan Krempl) / (pmz)