Kinderporno-Sperren im internationalen Vergleich

Die in Deutschland beabsichtigte DNS-Blockade von Webseiten mit kinderpornographischen Inhalten hat internationale Vorbilder. Doch in den einzelnen Ländern ziehen längst nicht alle Provider mit.

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Von
  • Detlef Borchers

Die vom Familienministerium und dem Bundeskriminalamt beabsichtigte DNS-Blockade von Webseiten mit kinderpornographischen Inhalten hat internationale Vorbilder. Ausgehend von einer norwegischen Initiative haben sich etliche Länder entschlossen, den jeweiligen Providern eine solche Sperre anzubieten. Ein Vergleich der Systeme zeigt, das längst nicht alle Provider in den einzelnen Ländern mitziehen und Sperrlisten wie Stopp-Server installieren. Die Gründe dafür sind sehr unterschiedlich, doch stehen Zweifel an den Sperrlisten im Vordergrund.

Das Sperren von Webseiten mit Kinderpornographie geht auf den Gedanken der "Re-Victimization" zurück: Missbrauchte Kinder sollen nicht noch einmal dadurch missbraucht werden, dass Bilder oder Filme ihres Missbrauches frei im Internet kursieren. Im Unterschied zu manchen Stellungnahmen von Politikern ist den Fachleuten durchaus klar, dass die Sperren den Kindesmissbrauch nicht verhindern, sondern nur den "Markt" für derartiges Bild- oder Filmmaterial eindämmen können. Der erste Filter dieser Art, den die norwegische Telenor-Gruppe im Jahr 2004 einrichtete, ging auf die Initiative einer Abteilung der norwegischen Kriminalpolizei (KRIPOS) zurück, die sich mit Kinderpornographie befasste. Das von der KRIPOS vorgeschlagene System der DNS-Sperre und eines Stopp-Servers orientierte sich an der britischen Internet Watch Foundation (IWF), einer damals privaten, heute halbstaatlichen Initiative, die für das Cleanfeed-System der British Telecom die nötigen Sperrlisten produzierte

Von Anfang an war der Kampf gegen die "Re-Victimization" auch mit Aufklärung verbunden. Wie Björn-Erik Ludvigsen auf der BKA-Herbsttagung 2007 ausführte, soll der Stopp-Server den Internet-Surfer vor allem auf das Problem aufmerksam machen und ein Bewusstsein für den Kampf gegen Kindesmissbrauch in der Bevölkerung verankern. Damit unterschied sich das System von Anfang an von der IWF-Lösung, die bei einer blockierten Webseite einen schlichten Fehler 404 auslieferte. Heute betont die norwegische Stoppseite nicht nur diesen Aspekt, sondern nennt auch die gesamteuropäische CIRCAMP-Initiative, die den von allen genutzten Sperrfilter CSAADF (Child Sexual Abuse Anti-Distribution Filter) betreut. Wie bereits geschildert, soll das norwegische System etwa 8000 URLs enthalten und 18.000 Anfragen am Tag blockieren. Erwähnenswert ist, dass nicht alle norwegischen Internetprovider das System einsetzen und selbst die Kunden des ersten Polizeipartners Telenor eine Hotline anrufen können, damit ihnen ein anderer DNS-Server zugeteilt werden kann. Anfang 2007 veröffentlichte das Datakrimutvalget, eine parlamentarische Kommission zur Verbesserung der Polizeiarbeit einen Report. In ihm sprach sich eine Minderheit dafür aus, die DNS-Sperre auf Nazi-Propaganda. Islamismus-Propaganda und Online-Casinos auszudehnen, was vom norwegischen Justizministerium kategorisch abgelehnt wurde.

Nach dem Einsatz in Norwegen exportierte die Telenor-Gruppe die Technik nach Schweden, wo es unter dem Namen Netclean (PDF-Datei) auch vom zweiten großen Provider TeliaSonera eingesetzt wurde. Im aktuellen Zusammenhang mit dem in Schweden stattfindenden Prozess gegen Pirate Bay sollte erwähnt werden, dass die schwedische Polizei im Jahr 2007 versuchte, Pirate Bay auf die Liste mit den gesperrten Kinderporno-Webseiten zu setzen. Nach Schweden installierte auch Dänemark (PDF-Datei) eine Sperrliste. Zunächst geschah dies ähnlich wie im Fall von Telenor bei der zuvor staatlichen Telefongesellschaft TDC, dann zogen nach einer Drohung des Innenministers fast alle übrigen Internet Provider nach. In Dänemark ereignete sich ein ähnlicher Vorfall wie in Schweden, als der zweitgrößte Provider Tele2 nach einer gerichtlichen Anordnung Anfang 2008 Pirate Bay auf die Kinderpornoliste setzen musste. Mit Jesper Bay wurde dabei ein Weg veröffentlicht, wie einfach eine derartige Sperre umgangen werden kann. Als letztes skandinavisches Land wurde die DNS-Sperre in Finnland errichtet und lieferte mit dem Fall von Matti Nikki ein Paradebeispiel dafür, wie ein Kritiker der Sperrlisten selbst auf die Sperrliste kommt und damit nicht mehr erreichbar ist.

Auch in den Niederlanden wurde von den Providern UPC/Chello und KPN in Zusammenarbeit mit der Polizei im Jahre 2007 die Sperrtechnik komplett mit dem Stopp-Server eingerichtet. Diese Sperre ist darum erwähnenswert, weil die niederländische Polizei explizit Finnland als Vorbild nannte. Die Internet-Aktivistin Karin Spaink besorgte sich daraufhin die finnische Sperrliste und fand auf ihr niederländische Firmen und insgesamt 40 Webseiten mit niederländischer Kinderpornographie. Spaink klagte daraufhin die Polizeibehörden öffentlich an, die zwar Kinderpornographie im Internet blockten, aber nicht tätig wurden, um die fraglichen inländischen Firmen juristisch zu belangen.

Als letztes Land muss in dieser Zusammenschau die Schweiz erwähnt werden, wo Mitte 2006 die Kampagne Stopp Kinderpornografie ins Leben gerufen wurde. Obwohl sich Internetprovider gegen die Maßnahme aussprachen, ist das System nach Angaben der Schweizer Koordinationsstelle Kriminalprävention von 80 Prozent der nationalen ISP installiert worden. Auch hier kann eine bemerkenswerte Eigenschaft der Sperrtechnik studiert werden: Eine Liste mit 1200 URLs geblockter kinderpornographischer Angebote wurde dem deutschen Rechtsanwalt Udo Vetter zum Kauf angeboten.

Tatsächlich sind diese Listen sehr umstritten. Zum aktuellen Zeitpunkt diskutiert man nicht nur in Deutschland, sondern auch in Australien die Einführung einer Sperrtechnik. Hier hat die ehemalige australische Rundfunkaufsicht ACMA eine Liste problematischer Web-Angebote recherchiert. Zunächst hieß es, dass 1370 Webseiten mit kinderpornografischen Angeboten existierten, die geblockt werden müssten. Am 4. Februar 2009 musste das zuständige Justizministerium auf eine parlamentarische Anfrage hin bekannt geben, dass nach eingehender Durchsicht weniger als die Hälfte der aufgeführten Adressen der Kinderpornographie zuzurechnen seien.

Siehe dazu auch:

(Detlef Borchers) / (pmz)