EU-Abgeordnete fordern besseren Datenschutz bei der Volkszählung

Der Beschäftigungs- und Sozialausschuss des EU-Parlaments hat aus dem Vorschlag der EU-Kommission zu einem europaweiten Zensus die Abfrage von Informationen etwa über das Familienleben oder Computerkenntnisse gestrichen.

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Der Beschäftigungs- und Sozialausschuss des EU-Parlaments hat sich Mitte der Woche für umfassende Änderungen am Vorschlag (PDF-Datei) der EU-Kommission für eine europaweite Volks- und Wohnungszählung von 2011 an ausgesprochen. So soll die "freiwillige" Abfrage von Informationen etwa über das Familien- und Sexualleben, Computerkenntnisse oder die Lese- und Schreibkompetenz gestrichen werden. Zudem haben die Abgeordneten darauf gepocht, dass allgemein Maßnahmen ergriffen werden müssen, um die Anforderungen des europäischen und nationalen Datenschutzrechts vollständig zu erfüllen.

Die Grünen und Liberalen hätten im Parlamentsausschuss den von der Kommmission vorgelegten Entwurf zur Erhebung von Bevölkerungs- und Wohnungsdaten "deutlich gestutzt", freut sich die grüne EU-Abgeordnete Elisabeth Schroedter über einen Zwischenerfolg. Statistische Daten über die wichtigsten sozialen und wirtschaftlichen Merkmale von Regionen seien zwar unerlässlich, um die Förderung für ärmere Regionen an den entscheidenden Stellen einsetzen zu können. Um diese Informationen europaweit vergleichen zu können, bedarf es laut Schroedter einer einheitlichen Erhebung. "Oberstes Gebot" müsse aber der Schutz der Privatsphäre sein. Daher seien die Auskunftsbegehren über die freiwilligen Angaben im Anhang nicht tragbar. Die Grünen würden sich auch bei der entscheidenden Abstimmung im Plenum im Dezember erneut dafür einsetzen, den umstrittenen Teil des Fragenkatalogs "komplett zu streichen".

Bei der Abstimmung im Sozialausschuss war es zuvor hoch hergegangen. Grundsätzlich wollten sich die Abgeordneten darüber Gedanken machen, in welchen Details die EU-Bürger über ihr Privatleben Auskunft geben sollen. Auch die Frage, wie hautnah lokale Behörden bis hinunter zur tiefsten regionalen Gliederungsebene zusätzliche Daten bei den Europäern für die Volkszählung beschaffen dürfen, stand zur Debatte. Der Abgeordnete Derek Clark von den britischen Unabhängigen empörte sich dabei, dass das Intimleben der Bürger ausgehorcht werden solle. So verlange die geplante Verordnung etwa Auskunft, an welchem Datum eine Britin zum ersten mal Geschlechtsverkehr gehabt habe.

Angesichts des massiven Drucks entschloss sich die Berichterstatterin, Ona Jukneviciene, laut Schroedter zu einer "Verzweiflungstat". Auf Basis der Änderungsvorschläge (PDF-Datei) von Oppositionsparteien strich die Litauerin den gesamten Anhang zu besonders persönlichen Angaben wie Ehestatus, Bildungsabschlüssen, Religion, Freiwilligenarbeit, Monatslohn oder Arbeitszeiten aus ihrem Berichtsentwurf (PDF-Datei) zur Änderung des Kommissionsvorstoßes. Der Antrag Schroedters, die Volkszählung insgesamt von einer Empfehlung des EU-Datenschutzbeauftragten Peter Hustinx abhängig zu machen, erhielt allerdings keine Mehrheit. Fraglich ist zudem, ob die "große Koalition" der konservativen Europäischen Volkspartei sowie der Sozialdemokraten im Plenum die Korrekturen mittragen wird.

Hierzulande liegen derweil die Vorarbeiten für den Zensus auf Eis. Der Bundesrat hat Anfang November Einspruch gegen das umstrittene Vorbereitungsgesetz für die Volkszählung erhoben. Den Ländern geht es vor allem ums Geld, aber auch um die Ausweitung der geplanten Datenerhebung. Der Gesetzesentwurf kann nun nur noch in Kraft treten, wenn der Bundestag mit der absoluten Mehrheit seiner Mitglieder den Widerspruch zurückweist.

Generell soll die Zählung im Wesentlichen durch eine Auswertung von Melderegistern, Daten der Bundesanstalt für Arbeit sowie Dateien zum Personalbestand der öffentlichen Hand erfolgen. Ergänzend ist geplant, auch Informationen bei Gebäude- und Wohnungseigentümern zu erheben. Stichproben sollen die Datenqualität sichern und bei etwa sieben Millionen Bürgern weitere Daten abfragen, darunter Erwerbstätigkeit und Bildungsgrad. Abgerundet werden soll die rechnergestützte Volkszählung durch eine Befragung der rund 17,5 Millionen Verwalter oder Bewohner von Gemeinschaftsunterkünften. Die Ausgaben für den Zensus werden auf 560 Millionen Euro geschätzt. (Stefan Krempl)/ (jo)