Neues Museum für alte Computer in Paris

Am heutigen Dienstagmorgen ist im "Großen Bogen" des hypermodernen Pariser Stadtteils La Défense das Musée de l’Informatique eröffnet worden, das erste französische Computermuseum.

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Von
  • Ralf Bülow

Der Ausblick ist schlicht überwältigend. Steht man am Fenster in 110 Meter Höhe, führt die Sichtachse nach Südwesten durch das Häusermeer zum Triumphbogen, neben dem weiter rechts Eiffelturm und Tour Montparnasse himmelwärts ragen. Doch gibt es im Dachgeschoss des Grande Arche de la Defénse noch mehr zu sehen, nämlich das erste ständige Computermuseum in Frankreich.

Seit heute lockt im rechtwinkligen "Großen Bogen", dem zentralen Gebäude des Geschäftsviertels im Westen von Paris, täglich von 10 bis 19 Uhr das Musée de l’Informatique. Schon im Juni 2007 startete hier eine Präsentation zur Geschichte des Computers von 1940 bis 1990, die bis März mehr als 200.000 Besucher anzog. Nach einem Totalumbau entstand eine 400 Quadratmeter umfassende Dauerausstellung und zwei halb so große Sonderschauen über Internet-Historie und computerbezogene Kunst, dazu Shop, Kino, Restaurant und Seminarräume.

Gründer und Museumsleiter Philippe Nieuwbourg ordnete die 300 Exponate – 1700 stehen im Depot – grob nach Jahrzehnten an. Auf die Lochkartenmaschinen der Vorkriegszeit folgen die Enigmas und Analogrechner der 40er-Jahre, die Röhrenmonster der Fünfziger und die Mainframes der Sixties. 1970 beginnt die Ära des Mikroprozessors, 1980 die massenhafte Verbreitung der persönlichen Computer. In den 90er-Jahren geschieht der Aufstieg des World Wide Web und im aktuellen Jahrzehnt die globale Verflechtung von Daten, Sprache, Musik und Film.

Daneben gibt es im Museum natürlich interaktive Installationen, Audio- sowie Videostationen und Vorführungen von Hardware. Die historische Richtigkeit garantiert ein "comite scientifique" aus den hochrangigen IT-Managern Alain Bernard und Gérard Louzier, den Fachjournalisten Luc Fayard und Betrand Lemaire respektive dem Computersammler Stéphane Mathon. Alle Ausstellungstexte liegen in Französisch und Englisch vor, ab Juni stehen deutsche Audioführungen zur Verfügung.

Das Musee de l’Informatique ist ein Privatunternehmen, getragen von der Firma Arche Numérique. Wie in der Branche üblich, bietet man potenziellen Sponsoren nach Spendengröße abgestufte Leistungen und Preisnachlässe an. Philippe Nieuwbourg hofft jedenfalls, bereits nach einem Jahr schwarze Zahlen zu schreiben. Die Internetseite des Hauses soll demnächst auf Englisch vorliegen, bis zum Jahresende auch auf Deutsch.

Wen es zum Vatertagswochenende oder an einem anderen Tag nach Paris zieht, der sollte neben La Defénse unbedingt das Musée des Art et Métiers besuchen, das nicht nur die Atmosphäre eines Dan-Brown-Romans verströmt, sondern auch schöne alte Rechenmaschinen und Automaten zeigt. Die wohl größte Sammlung zur französischen Informatikgeschichte in Grenoble ist leider nicht öffentlich. Wer in der Heimat bleiben möchte, dem empfehlen wir das Annaberger Adam-Ries-Museum, das am Samstag wieder geöffnet wird. (Ralf Bülow) / (pmz)