Schäuble: Entwurf für Online-Razzien ist verfassungsgemäß

Das Bundesinnenministerium hat Einzelheiten zum neuen Referentenentwurf für das BKA-Gesetz veröffentlicht und dabei mehrfach auf die Berücksichtigung sämtlicher verfassungsrechtlicher Vorgaben verwiesen.

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Das Bundesinnenministerium hat Einzelheiten zum neuen Referentenentwurf für die Novelle des Gesetzes für das Bundeskriminalamt (BKA) veröffentlicht und dabei mehrfach auf die Berücksichtigung sämtlicher verfassungsrechtlicher Vorgaben verwiesen. Insbesondere würden die Leitlinien aus Karlsruhe zur heimlichen Online-Durchsuchung "vollständig beachtet", heißt es in einer Mitteilung aus dem Hause Wolfgang Schäubles (CDU). Die heftig umstrittene geplante Befugnis für das BKA zum Ausspähen informationstechnischer Systeme sei in enger Abstimmung mit dem Bundesjustizministerium erfolgt. Sie sei wichtig, um "ein Hinterherhinken bei der technischen Entwicklung und damit das Entstehen von Schutzräumen zu vermeiden".

Im Einzelnen hebt das Ministerium neben Online-Razzien die geplanten neuen Vorschriften zur präventiven Telekommunikationsüberwachung hervor. Darin sei klargestellt, dass auch Maßnahmen der so genannten Quellen-Telekommunikationsüberwachung zulässig seien. Damit könnten verschlüsselte Internet-Telefonate vor der Verschlüsselung beziehungsweise beim Empfänger nach der Entschlüsselung "abgegriffen und an den Bedarfsträger für die Zielperson unbemerkt übermittelt werden".

Der Entwurf enthalte als "weiteres wichtiges Instrument zur Abwehr terroristischer Gefahren" Ermächtigungen zur Wohnraumüberwachung. Der große Lauschangriff auf die Kommunikation sei dabei um eine optische Komponente mithilfe von Videoüberwachung ergänzt worden. Erfahrungen hätten gezeigt, dass gerade der große Spähangriff in Form der optischen Wohnraumüberwachung "im Kampf gegen den internationalen Terrorismus von großer Bedeutung sein kann".

Regelungen zu dem vom Bundesverfassungsgericht angemahnten Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung, zur Benachrichtigung und zur Kennzeichnung, Verwendung und Löschung erhobener Daten seien vorgesehen, versichert das Innenressort. Überdies werde der Schutz von zeugnisverweigerungsberechtigten Personen gewährleistet, wobei die Vorschriften den vergleichbaren Regelungen aus der Strafprozessordnung (StPO) nachgebildet seien. Zuvor hatte der Zentralrat der Muslime kritisiert, dass Imame nicht vom besonderen Schutz für Berufsgeheimnisträger erfasst seien.

Die Ankündigung bayerischer Regierungsvertreter und hochrangiger CSU-Politiker, anders als im Entwurf für das BKA-Gesetz auch ein Eindringen von Ermittlern oder Technikern in Wohnungen für das Aufspielen von Überwachungssoftware auf Zielrechner weiter zulassen zu wollen, sorgt derweil für Wirbel. SPD und FDP in Bayern lehnen einen solchen Sonderweg ab. Die FDP-Landesvorsitzende Sabine Leutheusser-Schnarrenberger warf dem bayerischen Innenminister Joachim Herrmann vor, "mit immer neuen Schnellschüssen das Vertrauen in den demokratischen Rechtsstaat" zu beschädigen, und empfahl ihm eine genaue Lektüre des Karlsruher Urteils. Auch der stellvertretende Landesdatenschutzbeauftragte in München, Anton Stammel, warnte eindringlich vor verfassungsrechtlichen Problemen bei der bayerischen Initiative.

Rückendeckung gaben Herrmann dagegen seine CDU-Kollegen aus Baden-Württemberg und Hessen, Heribert Rech und Volker Bouffier. "Ich halte die bayerische Position für richtig", sagte Bouffier. Es müsse eine "saubere Rechtsgrundlage" auch für das Eindringen in Wohnungen geben. Auch Rech äußerte Zweifel, ob die vom Bund geplante Regelung praxistauglich sei. Gegebenenfalls müsse nachgebessert werden. Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Hövelmann (SPD) ist ebenfalls skeptisch, ob das Instrument in der nun geplanten Form tatsächlich seinen Zweck erfüllt". Der dpa sagte er: "Da wäre ein Krimineller schon sehr dämlich, wenn er einen E-Mail-Anhang mit einem Bundestrojaner öffnen würde." Laut Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) wird die Netzbespitzelung aber generell überschätzt. Das eigentliche Problem sei auch nicht die Wohnung: "Die Täter, die wir im Auge haben, sind eher mobil."

Clemens Binninger, Innenexperte der Unions-Bundestagsfraktion, bedauerte, dass der Bund nicht auf die bayerische Linie eingeschwenkt ist. "Aber weil die Novelle des Bundeskriminalamtsgesetzes als Ganzes für die Sicherheit in Deutschland dringend notwendig ist, haben wir uns zu einer Regelung bereit erklärt, die nicht zu 100, sondern nur zu 75 Prozent den Anforderungen zur optimalen Regelung entspricht", erklärte der CDU-Politiker. Der rechtspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Jürgen Gehb, hält weitere gesetzliche Maßnahmen für "dringend erforderlich." Die Regelung zur Online-Durchsuchung dürfe "selbstverständlich" nicht auf den Bereich der Gefahrenabwehr beschränkt werden. Vielmehr müsse sie auch bei der normalen Strafverfolgung unter Beachtung der verfassungsrechtlich notwendigen Vorkehrungen gelten. Der Deutsche Anwaltverein (DAV) lehnte die Pläne für Online-Razzien dagegen generell als ungebührlichen Eingriff in die Privatsphäre der Betroffenen ab. (Stefan Krempl) / (vbr)