50-jähriger Urheberschutz für "Rock-Opas" EU-weit bestätigt

Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass Schutzfristen für Tonträger internationaler Künstler in sämtlichen EU-Mitgliedsstaaten gelten, wenn in einem einzigen Mitgliedsland das Copyright noch gültig ist.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 100 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat die EU-Richtlinie (PDF-Datei) zur Schutzdauer des Urheberrechts aus dem Jahr 2006 in einem aktuellen Urteil weit ausgelegt (AZ C-240/07). So beschloss die große Kammer am gestrigen Dienstag, dass die 50-jährigen europäischen Schutzfristen für Tonträger auch dann gelten, wenn nur in einem einzigen Mitgliedsland das Urheberrecht noch gewahrt ist. Der Bundesverband Musikindustrie begrüßte die "Grundsatzentscheidung", auf die sich auch Firmen aus Drittstaaten außerhalb der EU berufen könnten. Sie schaffe Klarheit, dass der Urheberrechtsschutz in vielen einschlägigen Streitfällen auch für Alttonträger aus der Zeit von 1958 bis einschließlich 1965 gelte.

Konkret ging es in der Auseinandersetzung um eine Klage von Sony Music Deutschland gegen die Wittenburger Falcon Neue Medien GmbH. Die Vertriebsfirma verkaufte CDs mit alten Titeln von Bob Dylan wie "Blowin in the Wind" oder "Gates of Eden" in der Annahme, dass für die vor 1966 veröffentlichten Titel kein Tonträgerherstellerschutz mehr in Deutschland bestehe. Das von Sony angerufene Landgericht wies die Klage des großen Labels zunächst ab. Der Plattenkonzern ging in die Berufung, aber auch das angerufene Oberlandesgericht entschied nicht zu seinen Gunsten.

Dabei führten die Richter aus, dass die Rechte des Tonträgerherstellers an den Aufnahmen zwar unstreitig wirksam auf Sony übertragen worden seien. Aufgrund des 1971 in Genf geschlossenen Übereinkommens zum Schutz der Hersteller von Tonträgern gegen unerlaubte Vervielfältigung, das für Deutschland und die USA in Kraft getreten sei, hätten Plattenfirmen Urheberrechtsschutz aber nur an nach dem 1. Januar 1966 erbrachten Leistungen. Für vor diesem Zeitpunkt entstandene Musikaufnahmen habe in Deutschland nie ein Schutz bestanden.

Der eingeschaltete Bundesgerichtshof wandte sich mit Fragen zur Geltung EU-weiter Schutzfristen an den EuGH. Dieser verwies nun darauf, dass die Dylan-Alben in Großbritannien noch geschützt seien. Im Gegensatz zum deutschen Recht ist im Vereinigten Königreich ein Copyright auch für vor 1966 aufgenommene Titel gegeben. Ein solcher in einem Mitgliedsstaat geltender Schutz könne gemäß der einschlägigen Richtlinie auch hierzulande durchgesetzt werden. Die Alben fallen demnach unter die in der EU gängige Schutzfrist von 50 Jahren.

Das EU-Parlament berät unterdessen die von der EU-Kommission vorgeschlagene Verlängerung der Schutzrechte für ausübende Künstler auf 95 Jahre. Der federführende Rechtsausschuss konnte sich in seiner Sitzung am Montag noch zu keiner Abstimmungsempfehlung durchringen. Dies könne auch daran liegen, vermutet René Pfeiffer von der Copyright-Arbeitsgruppe des Fördervereins für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII), dass die von EU-Binnenmarktkommissar Charlie McCreevy ins Spiel gebrachten "armen Cousins des Musikgeschäfts" teilweise über geschätzte Privatvermögen von mehr als 300 Millionen Euro verfügen würden. Pfeiffer hat dabei vor allem den "Rock-Opa" Mick Jagger von den Rolling Stones im Auge, der die Brüsseler Behörde in Fragen des Online-Vertriebs von Musik berate.

Nach Ansicht des FFII geht es bei der Brüsseler Initiative so letztlich um "eine europäische Lex Disney". Der US-Unterhaltungskonzern habe es in den Vereinigten Staaten durch intensives Lobbying wiederholt geschafft, im Hinblick auf seine Rechte an Charakteren wie Mickey Mouse eine Verlängerung der gesetzlichen Schutzfristen auf inzwischen 120 Jahre zu erreichen. In Europa ticke nun die Uhr für die ersten drei Alben der "Stones", die bald das derzeit noch geschützte halbe Jahrhundert auf dem Buckel hätten. Sie würden spätestens 2015 nicht mehr unter der alleinigen Kontrolle der Band stehen, die ihre größten Hits aus dieser Epoche auch gar nicht selbst verfasst habe.

In derlei Fällen stehe die Zeit auf Seiten der Allgemeinheit, plädiert Georg Jakob vom FFII für eine Beibehaltung der derzeitigen Schutzdauer. So wie die Rolling Stones selbst ihren Durchbruch nicht mit eigenen Songs geschafft hätten, sollten sich auch heute junge Künstler mit Remixes und Mashups an ihren Liedern austoben dürfen. Die von McCreevy betriebene Verlängerung der Schutzfrist wäre ein nicht zu rechtfertigender Eingriff in den freien Markt und eine völlig unnötige Subvention einer der erfolgreichsten Rockbands aller Zeiten. (Stefan Krempl) / (pmz)