Bundesprüfstelle setzt Magersucht-Blog auf den Index

Wegen Jugendgefährdung hat die Behörde das Webjournal einer offenbar minderjährigen Autorin indiziert, in dem krankhafte Magersucht glorifiziert wurde. Dem Jugendschutz sei hier Vorrang gegenüber anderen Grundrechten einzuräumen, heißt es beim BPjM.

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Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) hat mit Beschluss vom 4. Dezember ein Blog, das sich mit dem Thema Magersucht befasst hat, als jugendgefährdend indiziert. Einen entsprechenden Bericht des Fach-Blogs beck-blog bestätigte die BPjM-Vorsitzende Elke Monssen-Engberding gegenüber heise online. Nach Angaben der BPjM handelte es sich bei dem indizierten Angebot um ein sogenanntes "Pro-Ana"-Blog, das die krankhafte Magersucht verherrlicht und damit Jugendliche gefährdet habe. Das ursprünglich bei Google gehostete Blog ist inzwischen offline.

Die BPjM entschied auf Antrag der bayrischen Kommission für Jugendmedienschutz (KJM). Das Blog sei von einer minderjährigen Autorin betrieben worden, heißt es im Antrag der KJM. Den Inhalten zufolge sei die Website der "Pro-Ana"-Szene zuzuordnen, in der die Krankheit Anorexia nervosa verherrlicht werde. Typisch für diese Angebote sei die Personifizierung der Krankheit als beste Freundin "Ana". Das Blog enthielt weitere in der Szene übliche Inhalte, erklärte Monssen-Engberding, darunter Texte wie der "Brief an Ana" oder die "10 Gebote". Zweites Gebot: "Dünn sein ist wichtiger als gesund sein."

Das Blog sei geeignet, "die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen [...] zu gefährden", begründet die KJM ihren Antrag. Die frei zugänglichen Texte würden ein "extremes Schlankheitsideal" und eine "sehr problematische Einstellung" dem eigenen Körper gegenüber propagieren, heißt es seitens der KJM weiter. "Die Krankheit Anorexia nervosa wird als erstrebenswerter Lifestyle glorifiziert." Dabei führe die psychische Störung zu gesundheitlichen Schäden durch extremes Untergewicht und Mangelerscheinungen.

Die Bundesprüfstelle folgte dem Argument und nahm das Blog mit Beschluss vom 4. Dezember in den Index für jugendgefährdende Schriften auf. Die BPjM sieht "in Übereinstimmung mit der KJM auch im Bereich bestimmter 'Pro-Anorexie-Angebote' erhebliche Gefährdungselemente", heißt es in der Begründung der Bonner Behörde, die heise online vorliegt. Medieninhalte, die "suggestiv fordernd auf Kinder und Jugendliche einwirken", um sie zu gesundheitsgefährdenden Verhaltensweisen zu drängen, erfüllen nach Ansicht des zwölfköpfigen Gremiums den Tatbestand der Jugendgefährdung.

Die Jugendschützer setzten damit erstmals ein Medium aus der Pro-Ana-Szene auf den Index. Die Bundesprüfstelle argumentiert dabei auch mit vorangegangenen Indizierungen von Medien, die Alkohol- oder Drogenmissbrauch propagierten. Sowohl KJM als auch BPjM sind sich dabei der verfassungsrechtlichen Dimension der Entscheidung bewusst. "Ohne Zweifel werden die Texte von der Kunstfreiheit erfasst", heißt es in der Entscheidung der Behörde. Doch genieße auch der Jugendschutz Verfassungsrang. In diesem Falle sei abzuwägen gewesen, welchem der beiden Rechtsgüter Vorrang zu gewähren sei.

Mit dem Rückgriff auf die Kunstfreiheit meinen die Jugendschützer, die Frage der Meinungsfreiheit nicht mehr erörtern zu müssen. "Eine Abwägung mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung war nicht erforderlich", heißt es in der Begründung. Bei einer "in die Form künstlerischer Betätigung gegossenen Meinung" sei maßgebliches Grundrecht allein §5 Abs. 3 Satz 1 des Grundgesetzes ("Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei.").

"Acht von zehn Pro-Ana-Angeboten sind jugendgefährdend", meinen auch die Jugendschützer von jugendschutz.net und verweisen auf "systematische Recherchen" seit 2006. Die Angebote seien geeignet, Jugendlichen den Einstieg in die Magersucht zu bereiten und Betroffene in ihrem Verhalten zu bestärken. Die Jugendschützer setzen bei ihren Versuchen, entsprechende Angebote im Netz einzudämmen, auch auf die Kooperation der Provider.

Mit der Indizierung könnte die Bundesprüfstelle einen Präzedenzfall geschaffen haben, der den Jugendschützern ein weiteres Instrument gegen Angebote der Szene liefert. Das betroffene Blog hat die Indizierung nicht überlebt. Die Bundesprüfstelle hat den Provider auf den jugendgefährdenden Charakter des Angebots hingewiesen, sagte Monssen-Engberding. Ob daraufhin Google oder die Autorin das Blog gelöscht haben, wisse sie nicht. "Wir kennen die Anbieterin des Blogs nicht."

In den Blogs wird die Indizierung heiß diskutiert. Erwartungsgemäß kreist die Debatte um Zensur und staatliche Eingriffe in die Meinungsfreiheit. Allerdings gibt es auch Blogger, die das anders sehen. Ob die Behörde mit der Indizierung eines vergleichsweise kleinen Blogs einen erschreckenden Trend stoppen kann, ist dabei eine ganz andere Frage.

Zumal dieser Trend auch von der Glitzerwelt der Mode- und Promi-Szene und den damit verbandelten Hochglanzmedien gemacht und verstärkt wird – ganz legal. Auf dem indizierten Blog prangten zahlreiche Bilder der sichtbar unterernährten Ana-Ikone Nicole Richie. Eins davon: Ein Cover der Vogue. (vbr)