Datenantifa stellt geschlossenes Forum eines Neonazi-Netzwerks online

Linke Aktivisten haben nach eigenen Angaben sämtliche Datenbanken des international genutzten Online-Forums der hierzulande verbotenen Vereinigung "Blood & Honour" entwendet und ins Netz gestellt.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 1811 Kommentare lesen
Lesezeit: 3 Min.

Linke Aktivisten haben nach eigenen Angaben sämtliche Datenbanken des international genutzten Online-Forums der hierzulande seit 2000 verbotenen Neonazi-Vereinigung "Blood & Honour" (B&H) gehackt und ins Netz gestellt. Die in voller Größe rund 800 Megabyte schweren Dateien enthalten neben rund 240.000, teils versteckten Forenbeiträgen sowie gespeicherten IP-Adressen auch eine Datenbank zur Abfrage von über 30.000 Nutzern mit privaten Nachrichten und E-Mail-Adressen sowie Mitgliederfotos in einer Art sozialem Netzwerk. Unter den Verzeichneten sollen auch rund 500 deutsche Neonazis sein.

Der Angriff auf das Netzwerk, das vor allem Konzerte zur Verbreitung nationalsozialistischer Ideologie organisiert und Bands zusammenführt, erfolgte offenbar nicht über das Internet, sondern offline. In einer Mitteilung der federführenden "Datenantifa" auf der Plattform Indymedia heißt es, dass die Datenbanken im Rahmen einer aufwendig vorbereiteten nächtlichen "Hausdurchsuchung" der Linken "auf dem Server sichergestellt" worden seien. Da es wohl Monate gedauert hätte, die entwendete Datenmenge auszuwerten, habe man sich entschlossen, das komplette Forum online zu veröffentlichen. Nach Angaben in der Domain-Datenbank "Whois" ist der B&H-Server in Maple Shade, New Jersey, in den USA aufgestellt und wird vom Provider GoDaddy gehostet.

Seit dem Verbot der "Blood & Honor Division Deutschland" als verfassungsfeindliche Gruppierung waren bis zum September 2007 in sieben Bundesländern Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Fortführung des Netzwerks eingeleitet worden. Dies teilte (PDF-Datei) die Bundesregierung damals auf Anfrage der Linken mit, ohne weitere Einzelheiten zu nennen. Sicherheitsbehörden könnten die Infos aus dem Forum nun als Anhaltspunkte für eigene Ermittlungen nutzen.

Experten gehen jedenfalls von einem schweren Schlag gegen die militante rechte Szene aus. "Jetzt werden einige Leute im rechtsextremen Umfeld, darunter sicher auch Aktivisten der NPD, sehr nervös werden", sagte Günther Hoffmann vom Zentrum Demokratische Kultur der "Frankfurter Rundschau". NPD-Aktivisten würden Kontakte zu B&H geheim halten, um die Legalität der Partei nicht zu gefährden. Selbst Parteichef Udo Voigt sei aber schon vor ungarischen B&H-Anhängern aufgetreten. Das nächste Konzert aus dem Umfeld des Musiknetzwerks zum Gedenken an den britischen B&H-Gründer Ian Stuart Donaldson ist auf einer deutschen, von der B&H-Homepage aus verlinkten Webseite für den 6. September angekündigt. Das originale B&H-Forum ist online derzeit nicht mehr erreichbar.

Katharina König vom Jenaer Aktionsbündnis gegen Rechts räumte ein, dass die Antifaschisten die Datenbanken zwar auf illegalem Weg erworben hätten. Sie sei sich aber sicher, "dass auch die Polizei ihre Schlüsse daraus ziehen wird". Man habe nun endlich Einblick in die Strukturen eines weltweit agierenden Neonazi-Verbundes. In Deutschland hat der B&H-Ableger nach seinem Verbot seine Aktivitäten offenkundig unter dem Namen Division 28 fortgeführt. Die Zahl steht für den zweiten und achten Buchstaben des Alphabets, was wiederum B und H ergibt. Von den Angaben im Forum erhoffen sich König und Hoffmann nun Nachweise dafür, dass eine B&H-Division weiter aus Deutschland geführt werde. (Stefan Krempl) / (uk)