Gesellschaft für Informatik wählt Vorstand und Präsidium neu

Für die elektronische Abstimmung hat sich auch eine Vertreterin des Europäischen Patentamtes aufstellen lassen, weshalb Softwarepatent-Gegner vor einem Erstarken der "Patentlobby" und einem Kurswechsel bei der GI warnen.

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Bei der Gesellschaft für Informatik (GI) steht ein Leitungswechsel in Haus. Bis zum 14. Dezember können die rund 24.500 Mitglieder der größten Informatikfachvertretung im deutschsprachigen Raum den Vorstand und das Präsidium elektronisch neu bestimmen. Online gewählt werden darf mit der Mitgliedsnummer und einer zusätzlich zugesandten Wahl-PIN. Für den Vorstand nominiert sind mit Stefan Jähnichen, Ernst Mayr und Andreas Oberweis drei Informatikprofessoren sowie mit Dirk Taubner von der msg systems AG ein Firmenvertreter. Auch bei der Neuwahl des Präsidiums sind vor allem Hochschulmitarbeiter im Rennen. Für Unmut gesorgt hat nun nicht etwa das elektronische Wahlverfahren. Vielmehr monierten Softwarepatent-Gegner, dass sich mit Sabine Kruspig auch die Direktorin einer Gruppe von Patentprüfern im Computerbereich des Europäischen Patentamtes (EPA) hat aufstellen lassen.

Alarm geschlagen hat der Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII). In einem Rundschreiben an Unterstützer warnt die Interessensvertretung allgemein davor, dass "die Patentlobby" momentan versuche, nach dem Scheitern der heftig umstrittenen EU-Richlinie über den gewerblichen Rechtsschutz für "computerimplementierte Erfindungen" Softwarepatente mithilfe "institutioneller Reformen" auf europäischer Ebene durchzusetzen. Im Blick hat der FFII dabei insbesondere die Beratungen in Brüssel über ein zentralisiertes europäisches Patentgerichtssystem. Dabei würden Mechanismen wie Wahlverfahren, eine dominierende Rolle für "technische" Richter und Experten, die Spaltung von Nichtigkeits- und Verletzungsklage und eine zentrale Zuweisung von Nichtigkeitsklagen zu bestimmten Kammern erreichen, dass Patente auf Computerprogramme "durch Fallrecht" durchgeboxt würden.

Gleichzeitig zeigt sich der FFII darüber besorgt, dass "die Patent-Technokratie" vor allem über Lobbyisten des EPA und der dahinter stehenden Europäischen Patent Organisation (EPO) erneut "massiven Einfluss auf die politische Willensbildung" nehme und dabei die Regeln der freiheitlich-demokratischen Grundordnung unterlaufe. So habe die EPO etwa an diversen EU-Berichten zur Zukunft des Patentwesens mitgeschrieben. Nun kandidiere mit Kruspig "die für Softwarepatente zuständige Mitarbeiterin" sogar für eine Führungsposition innerhalb der Gesellschaft für Informatik. Zugleich werde im Europäischen Patentamt eine offene Debatte über Schutzrechte auf Programme unterdrückt. Gedroht werde mit Sanktionen, sobald Mitarbeiter "dienstlich oder öffentlich dem institutionellen Vorverständnis nicht folgen".

In ihrer Vorstellung (PDF-Datei) für die GI-Wahl stellt Kruspig die "seit vielen Jahren heftig geführten Diskussionen zu 'Softwarepatenten'" als Beispiel für die Notwendigkeit auf, "wie sehr die Informatik eine Herausforderung insbesondere an Juristen, Wirtschaftswissenschaftler und Politiker darstellt". Patentrecht sei nur eines von vielen juristischen Gebieten, das durch die Computerwissenschaft zum Umdenken gezwungen werde. Urheberrecht und Plagiate, Datenschutz und heimliche Online-Durchsuchungen von PCs, Strafrecht und "Killerspiele" seien weitere Beispiele für Themen, die inzwischen auch im Blickpunkt der Öffentlichkeit stünden.

In Patentierungsfragen kann Kruspig seit langem nicht nachvollziehen, warum die reine Datenverarbeitung nicht als Gebiet der Technik gelten und somit nicht mit gewerblichen Schutzrechten belegt werden sollte. Sie begrüßt unter anderem die Praxis der EPA-Beschwerdekammern, etwa bei der "Verbesserung des Kontrastes von einem Bild" durch eine gemischte Hard- und Softwarelösung von einem "technischen Effekt" auszugehen und den Patentschutz zuzulassen.

Mit Christof Leng von der TU Darmstadt ist aber auch ein entschiedener Gegner von Softwarepatenten als Kandidat für das GI-Präsidium aufgestellt. Diese seien eine "Innovationsbremse" und würden kleine und mittlere Unternehmen, freie Entwickler sowie Open-Source-Projekte benachteiligen, schreibt er in seinen Wahlpapieren (PDF-Datei).

Die GI beziehungsweise insbesondere ihr früherer Präsident, Heinrich Mayr, waren lange Zeit prinzipiell für Patente auf "computerimplementierte Erfindungen". Nehme man den Begriff der gleichsam industriellen Softwaretechnik ernst, dürfe man Erfindungen aus diesem Gebiet den Patentschutz nicht grundsätzlich verwehren, lautete das Credo im Jahr 2000. Kurz vor der entscheidenden Abstimmung über die Softwarepatent-Richlinie vollzog die Informatikervereinigung aber eine Kehrtwende. Sie kritisierte in einem Positionspapier eine "Verschleierungspraxis" in Europa bei Softwarepatenten. Zugleich forderte die GI eine "klare, systematisch begründete Grenzziehung zwischen patentierbaren und nicht-patentierbaren rechnergestützten Erfindungen" im Sinne der vergleichsweise strengen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. (Stefan Krempl) / (jk)