Bundestrojaner gegen afghanischen Minister

Der Bundesnachrichtendienst hat Berichten zufolge eine heimliche Online-Durchsuchung beim afghanischen Handels- und Industrieminister Amin Farhang durchgeführt, bei der auch die Kommunikation mit einer "Spiegel"-Autorin erfasst worden sein soll.

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Der Bundesnachrichtendienst (BND) hat Berichten zufolge eine heimliche Online-Durchsuchung beim afghanischen Handels- und Industrieminister Amin Farhang durchgeführt, bei der auch die Kommunikation mit einer Spiegel-Reporterin erfasst worden sein soll. Die monatelange Observation der Journalistin zwischen Juni und November 2006, die das Nachrichtenmagazin am Wochenende bekannt machte, war demnach offenbar ein "Nebenprodukt" der Bespitzelung des Spitzenpolitikers. Farhang soll laut Angaben des afghanischen Geheimdienstes NDS im Verdacht gestanden haben, mit den Taliban zu kooperieren. Er hatte sich unter anderem in die Befreiung des im Dezember in Afghanistan entführten Deutschen Harald K. eingeschaltet.

Nach Informationen der Nachrichtenagentur ddp war es dem BND gelungen, mit Hilfe eines Trojaners auf der Festplatte von Farhang ein Spähprogramm zu installieren. Die Spiegel-Autorin Susanne Koelbl soll mit dem Politiker, der angeblich einen deutschen Pass besitzt, eine elektronische Korrespondenz geführt haben und dabei in das Überwachungsnetz geraten sein. Die ausgetauschten Informationen hatten dem Bericht zufolge vor allem privaten bis "intimen" Charakter. Die Online-Razzia habe der BND rechtlich "ohne Weiteres" für durchführbar gehalten.

Im Januar war bekannt geworden, dass der Geheimdienst bereits rund 60 Mal heimlich Zielrechner Verdächtiger im Ausland über das Internet ausgeschnüffelt haben soll. Der sogenannte Bundestrojaner sei aber nicht gegen deutsche Bürger im Inland eingesetzt worden, hatte es damals geheißen. Eine spezielle Rechtsgrundlage für verdeckte Online-Durchsuchungen im Ausland hält der BND offenbar nicht für erforderlich. Darüber hinaus soll der Nachrichtendienst auch dem Bundesamt für Verfassungsschutz bei Netzbespitzelungen gegen Islamisten hierzulande ausgeholfen haben.

BND-Präsident Ernst Uhrlau gerät wegen der Affäre zunehmend unter Druck. Er muss sich am heutigen Donnerstag deswegen bereits ein zweites Mal vor dem Parlamentarischen Kontrollgremium (PKG) des Bundestags verantworten. Der Unions-Innenexperte Hans-Peter Uhl (CSU) sowie das grüne PKG-Mitglied Hans-Christian Ströbele haben Medienberichten zufolge einen Rücktritt Uhrlaus für unausweichlich befunden. Dieser soll erklärt haben, erst seit rund zwei Monaten von der Beschnüffelungsaktion zu wissen. Er entschuldigte sich Ende vergangener Woche bei der Spiegel-Korrespondentin und dem Verlag. Uhl hat zudem die Vorlage eines Entwurfs für ein neues Gesetz zur Geheimdienstkontrolle noch vor der Sommerpause angekündigt. Oppositionsparteien fordern seit Langem striktere Regelungen.

Neben der Spiegel-Journalistin wurden möglicherweise auch andere deutsche Journalisten in Afghanistan ausgespäht. Der frühere ZDF-Korrespondent Ulrich Tilgner sagte der Berliner Zeitung, ein hoher deutscher Diplomat habe ihm im vergangenen Jahr in Kabul erklärt: "Sie müssen verstehen, dass Sie abgehört werden." Grund für die Lauschaktion seien Telefonkontakte mit deutschen Geiseln gewesen. 2006 hatte das PKG aufgeklärt, dass der für die Auslandsspionage zuständige BND jahrelang illegal Journalisten im Inland observiert und andere als Spitzel in der Medienbranche eingesetzt hatte. (Stefan Krempl) / (pmz)