Google: Mit Chrome "gegen die Balkanisierung" des Internets

Google stellt seinen neuen Webbrowser nach Auskunft von CEO Eric Schmidt in einem Zeitungsinterview ausdrücklich gegen Microsoft auf. Derweil gibt es weiterhin Bedenken gegenüber dem Verhältnis des Suchprimus zum Datenschutz.

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Google Chrome legte im c't-Test auf Anhieb Bestzeiten bei Benchmarks und bei Ladetests vor. In der Nutzungsstatistik von heise online für den 3. September taucht der Webbrowser bereits mit 5,7 Prozent auf (siehe unten). Solche für Google positive Nachrichten drohen angesichts der allgemeinen Wachsamkeit gegenüber dem Datenhunger des Suchprimus unterzugehen, zumal den Anmerkungen zum Datenschutz zu entnehmen ist, dass einige Nutzer- und Nutzungsdaten an Google übermittelt werden. Datenschutzrechtliche Bedenken gegenüber der Adressleiste, in Chrome Omnibox genannt, äußerten nun US-amerikanische Bürgerrechtler. Auch wurde bereits eine erste Schwachstelle entdeckt.

Dabei hat Google Chrome herausgebracht, um eine sicherere und stabilere Plattform für Internetnutzer zu bieten, wie Google-Chef Eric Schmidt gegenüber der Financial Times betonte. Auch räumte er ein, Chrome habe eine "defensive Komponente", um Microsoft davon abzuhalten, seine dominante Position auszunutzen und mit eigenen Diensten das Internet zu "balkanisieren", also zu zersplittern. Er könne zahlreiche Belege dafür vorlegen, dass Microsoft seine eigenen Anwendungen bevorzuge.

Schmidt gesteht, es lange als nicht notwendig angesehen zu haben, einen eigenen Webbrowser zu entwickeln. In den vergangenen Jahren habe sich das Internet jedoch verändert, es gebe nun diverse Web-basierte Anwendungen, aber einige Browser, insbesondere der Internet Explorer würden den dafür zugrunde liegenden Anforderungen nicht genügen. Chrome sei eine bessere Plattform für leistungsstarke Anwendungen. Mittlerweile wurde bekannt, dass Google ähnlich wie Firefox eine Programmierschnittstelle für Erweiterungen plant. Außerdem soll Chrome voraussichtlich in einigen Monaten auf Basis von Android für Mobiltelefone erhältlich sein.

Die Mozilla Foundation betont zwar, die guten Beziehungen zu Google würden durch Chrome nicht beeinträchtigt, doch haben Entwickler bereits eigene Benchmarks für die kommende Version 3.1 ihres Webbrowsers Firefox vorgelegt, die belegen sollen, dass dieser schneller sein wird als Chrome.

Jon von Tetzchner, CEO des norwegischen Browser-Herstellers Opera, betont derweil in einer Stellungnahme, Google sei bisher ein guter Partner gewesen und werde es auch künftig bleiben. Für ihn komme Chrome nicht überraschend, schließlich versuchten viele Unternehmen, dem Internet ihren Stempel aufzudrücken. Allerdings habe Google mit einem eigenen Browser auch Verantwortung für ein freies und offenes Web übernommen. Er zeigte sich geschmeichelt, dass Google einige Funktionen aus Opera übernommen habe.

Google-CEO Schmidt sagte weiter laut Financial Times, dass Chrome nicht dazu genutzt werden könne, Datenverkehr zu Googles eigenen Internetdiensten zu lenken. Doch auch nach solchen Äußerungen hat sich am zweiten Tag nach der Veröffentlichung des Webbrowsers die Aufregung noch nicht gelegt, zum Beispiel wegen Chromes Adressleiste Omnibox. Sie soll dem Benutzer helfen, durch automatische Vervollständigung während der Eingabe bereits besuchte Seiten wiederzufinden. Außerdem macht sie Vorschläge für Suchbegriffe und für Sites, die der Nutzer noch nicht besucht hat. Dazu überträgt sie die Eingaben des Nutzers an Google-Server – ähnlich wie eine Funktion im Firefox.

Daran reiben sich die US-Bürgerrechtler der Electronic Frontier Foundation (EFF). Ihr IT-Experte Peter Eckersley sagte laut einem Interview, er sei besorgt, dass Chrome dazu diene, Google weitere persönliche Informationen über die Webnutzer zu beschaffen. Google wisse bereits zu viel darüber, was die Webnutzer denken. Auch Simon Davies, Gründer von Privacy International und Mitglied des Electronic Privacy Information Center (EPIC) kritisiert Google. Der nachlässige Umgang mit dem Datenschutz und das Verschleiern der Nutzung der Daten sei typisch für das Unternehmen.

Beunruhigt wurden auch jene, die die Chrome-Nutzungsbedingungen studiert haben. Dort heißt es momentan in der deutschen Fassung unter Abschnitt 11 unter anderem: Durch das Übermitteln, Einstellen oder Anzeigen von Inhalten erteile der Nutzer Google eine "unbefristete, unwiderrufliche, weltweit gültige, unentgeltliche und nicht exklusive Lizenz zum Vervielfältigen, Anpassen, Modifizieren, Übersetzen, Veröffentlichen, zum öffentlichen Darstellen und Anzeigen sowie zum Vertreiben sämtlicher mithilfe der Services übermittelten, eingestellten oder angezeigten Inhalte".

Dieser Passus war neben anderen umstrittenen Sätzen ursprünglich auch in den englischsprachigen Nutzungsbedingungen enthalten, sie wurden aber inzwischen gestrichen. Google selbst ließ gegenüber US-Medien verlauten, dass die Chrome-Nutzungsbedingungen versehentlich diese Bestimmung enthielten. Sie wurden offensichtlich aus jenen für die Online-Anwendung Google Docs übernommen und werden voraussichtlich auch aus den deutschen Nutzungsbedingungen gestrichen.

Abschnitt 11 der Nutzungsbedingungen für Google Docs hatte im vergangenen Jahr für Irritationen unter den Nutzern gesorgt, wie dem Google-Forum zu entnehmen ist. Nutzer befürchteten, Google räume sich das Recht ein, von ihnen generierte Inhalte weiterverwenden zu dürfen. Google hatte daraufhin seine Nutzungsbedingungen modifiziert und klar gestellt, dass Nutzer natürlich ihre Einwilligung geben müssen, bevor ihre Inhalte weiterverwendet werden.

Browser-Anteile auf heise online am 3.9.2008
im Vergleich zum August 2008
Webbrowser 3.9.08 August
Firefox 3.0 43,9 % 40,2 %
Firefox 2.0 11,6 % 18,6 %
Internet Explorer 7.0x 10,5 % 11,3 %
Internet Explorer 6.0x 9,8 % 9,5 %
Opera 9.x 7,3 % 7,6 %
Google Chrome 5,7 %  
Apple Safari 3,6 % 4,1 %
Gecko (Mozilla/Netscape 6 o.ä.) 2,7 % 3,1 %
Andere/Unbekannt 1,9 % 2,2 %
Firefox 1,3 % 1,4 %
KDE Konqueror 1,2 % 1,3 %
Firefox 1.5 0,6 % 0,6 %
Browser-Hersteller auf heise online am 3.9.2008
im Vergleich zum August 2008
Hersteller 3.9.08 August
Mozilla & Co (Gecko-Engine) 60,2 % 64,2 %
Microsoft 21,0 % 21,4 %
Opera 7,4 % 7,7 %
Google 5,7 %  
Apple 3,6 % 4,1 %
KDE 1,2 % 1,3 %
Mobile Browser (diverse) 0,4 % 0,4 %
Netscape vor 6.x 0,1 % 0,1 %

Siehe dazu auch:

  • Surf-Triathlon, Geschwindigkeit und Speicherverbrauch aktueller Browser, c't 19/08, S. 182

Zu Google und seiner Vormachtstellung siehe auch:

(anw)