Geheimdienstexperte: Hohe Hürden bei Online-Razzien gelten auch für BND

Der Grüne Hans-Christian Ströbele hält den Einsatz des Bundestrojaners gegen Ausländer ohne konkrete Gefahr für rechtswidrig, da das Bundesverfassungsgericht bei dem Eingriff in Grundrechte die Menschenwürde verletzt sah.

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Der grüne Geheimdienstexperte Hans-Christian Ströbele hält den Einsatz des sogenannten Bundestrojaners auch gegen Ausländer ohne konkrete Gefahr für höchste Rechtsgüter für rechtswidrig. Es gelte zwar die Ansage, dass der Bundesnachrichtendienst (BND) im Ausland nicht an das Grundgesetz gebunden sei, erläuterte das Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKG) des Bundestags gegenüber heise online. Das Bundesverfassungsgericht habe in seinem Urteil aber im Ausspähen von Festplatten einen tiefen Eingriff in die Grundrechte und die allgemein verbriefte Menschenwürde betroffen gesehen. Damit müssten für die Ausforschung der Computer von Ausländern die gleichen hohen Hürden gelten wie für Bundesbürger.

Der BND soll einem Bericht zufolge bereits mehrfach Zielrechner Verdächtiger im Ausland über das Internet ausgeforscht haben. Als klaren "Skandal" bezeichnete Ströbele den zuletzt bekannt gewordenen Fall, dem zufolge der Auslandsgeheimdienst den afghanischen Handelsminister Amin Farhang offenbar mit einem Trojaner ausspionierte und dabei auch dessen private E-Mail-Kommunikation mit der Spiegel-Autorin Susanne Koelbl abhörte. Geheimnisträger wie Journalisten dürfen dem Karlsruher Richtspruch nach nur in absoluten Ausnahmefällen im Rahmen von Onlinedurchsuchungen ausgeforscht werden. Generell muss sich der BND ans Grundgesetz halten, sobald Deutsche von einer Maßnahme mit betroffen sind.

In der jüngsten Affäre war zunächst BND-Präsident Ernst Uhrlau unter Druck geraten. Nach einer zweiten Beratung des Falls am Donnerstag missbilligte das PKG schließlich aber nur, dass die Leitung des BND weder die Bundesregierung noch die Parlamentarier über den Vorgang unterrichtet hat. Dadurch sei das "Vertrauen" gestört. Neben einer erheblichen Verletzung der Grundrechte der Journalisten rügen die Abgeordneten, dass die erfassten E-Mails zumindest wegen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung unmittelbar nach Feststellung des Bezugs zu einer deutschen Grundrechtsträgerin hätten gelöscht werden müssen. Entlastend erkennen sie an, dass die Leitungsebene des Dienstes über den Vorgang aus 2006 innerhalb des Hauses erst ein Jahr später unterrichtet worden sei.

Ströbele geht die zur Erhaltung des Koalitionsfriedens gefundene Sprachregelung nicht weit genug. "Es müssen Konsequenzen gezogen werden beim BND, und zwar nicht bei den mittleren Chargen", forderte der Grüne. Es gebe sowohl eine Verantwortung der Dienstleitung sowie des zuständigen Ministers im Bundeskanzleramt, Thomas de Maizière (CDU). Diese müssten aufpassen, dass der BND nicht immer wieder außer Kontrolle gerate. Unterstützung in seinem Appell erhielt Ströbele unter anderem von der Grünen-Fraktionschefin Renate Künast

Laut Medienberichten hat der Nachrichtendienst auf Weisung des Kanzleramts allein disziplinarische Maßnahmen gegen den Büroleiter von BND-Präsident Ernst Uhrlau, den für die Bespitzelung zuständigen Abteilungsleiter und einen dritten BND-Beamten ergriffen. Farhang beklagte, dass ihn nicht einmal eine Entschuldigung aus Berlin erreicht habe. Er wies entschieden den Vorwurf zurück, er kooperiere mit den radikal-islamischen Taliban. Dieser "Rufmord" und die Abhörmaßnahmen seien ein beispielloser Fehltritt.

Der Spiegel kündigte derweil rechtliche Schritte gegen den Auslandsgeheimdienst an. Die sechsmonatige Überwachung der Mails Koelbls sei "ein unerträglicher Zustand". Man werde den Vorgang strafrechtlich und verfassungsrechtlich verfolgen, hieß es bei dem Hamburger Magazin, und lege es gegebenenfalls auf eine höchstrichterliche Klärung durch das Bundesverfassungsgericht an. (Stefan Krempl) / (vbr)