Web Content Forum: "Mit Inhalten ist kaum Geld zu verdienen"

Auf dem Kölner Web Content Forum von eco und BVDW diskutierten Experten die Frage, ob Content immer noch "King" ist und wie sich tragfähige Geschäftsmodelle auf Online-Inhalten aufbauen lassen.

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Von
  • Torsten Kleinz

"Content ist King" hieß die Erfolgsdevise lange: Wer im Medien-Geschäft erfolgreich sein will, muss möglichst viele Inhalte schaffen. Doch wie sieht es in der Praxis aus? Kann man mit dem User Generated Content tatsächlich Geld verdienen? Mit diesen Fragen beschäftigten sich am gestrigen Donnerstag der Verband der deutschen Internetwirtschaft eco und der Bundesverband Digitale Wirtschaft BVDW auf dem ersten Kölner Web Content Forum.

Fast schon kulturpessimistisch begann die Keynote von Ibrahim Evsan, Geschäftsführer der Video-Plattform Sevenload. Er beschrieb in seinem Vortrag die negativen Effekte des allgegenwärtigen Internets – vom Neffen, der viel zu viel Zeit vor dem Computer verbringe bis zum Musikerfreund, der nun mit Laptop statt mit Jazz-Gitarre umherziehe. Die Zukunft – oder: das Web 3.0 – sieht Evsan im "virtuellen Zuhause" der Nutzer.

Die Anbieter müssten immer stärker zusammenarbeiten, um Nutzer noch zu erreichen, erklärte Evsan. Klassische Medienunternehmen hätten keine andere Wahl, als nach neuen Geschäftsmodellen zu suchen. Die Hoheit über eigene Inhalte sei nicht mehr aufrecht zu erhalten. "DRM stirbt. Die Kontrolle stirbt", fasste der Sevenload-Chef zusammen. Vorbild sei das US-Unternehmen Facebook, das es verstanden habe, nicht nur eine Plattform aufzubauen, sondern sich als Betriebssystem für Applikationen anderer Anbieter zu etablieren.

In Deutschland sei ein solches Angebot angesichts des Investitionsklimas allerdings kaum zu schaffen: "Jungunternehmer werden mit 50.000 Euro abgespeist – und dann wird auch noch Erfolg verlangt." In die gleiche Kerbe schlug Podcaster und Unternehmensberater Alexander Wunschel: Er bezeichnete zum Beispiel die Entscheidung von RTL, sich am sozialen Netzwerk Wer-kennt-Wen zu beteiligen, als "Verzweiflungstat". Die klassischen Medien versuchten, sich Beliebtheit einzukaufen – in den Augen von Wunschel keine nachhaltige Strategie.

Dass die Medienkonzerne nach neuen Regeln des vernetzten Marktes spielen müssen, war auf der Konferenz unstrittig. Welche Strategie zum Erfolg führen wird, ist allerdings unklar, die Experten sind jedoch sicher: Die Marke wird in Zukunft eine größere Rolle spielen als heute.

Offenen Streit gab es um die Zukunft des Fernsehens. Während Vertreter der Internetwirtschaft ein rosiges Bild der schönen neuen Fernsehwelt mit Joost, IPTV und unbegrenzter Kanalvielfalt beschworen, holte Professor Stefan Korol, Dozent für elektronische Medien an der Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg, die Visionäre auf den Erdboden zurück. Der Zuschauer wolle sich nach einem harten Arbeitstag nicht auch noch als Programmdirektor auf dem eigenen Sofa beschäftigen. "Die Fernsehnutzung sieht im Prinzip seit 20 Jahren gleich aus. Ich bin mir ziemlich sicher, dass die Kurve in zehn Jahren noch so aussieht", erklärte der Dozent.

Die interaktiven Medienformate seien zwar sehr interessant, aber nicht für den Massenmarkt geeignet. Wenn sich die Nutzung des Internets verstärke, gehe die Nutzungsdauer wohl nicht zu Lasten des Fernsehkonsums, die Konsumenten würden eher andere aktive Tätigkeiten wie Sport unterlassen. Mit dieser These stieß Korol auf teilweise heftigen Widerspruch: gerade Jugendliche würden nicht mehr den passiven Medienkonsum lernen, hielten einige Zuhörer Korol entgegen. Von den Vertretern der neuen Medien kamen eher versöhnliche Töne: das Fernsehen als solches habe immer noch eine Zukunft, würden sich in Zukunft aber immer mehr mit dem Internet verbinden.

Einen anderen Mythos wollte Professor Paul Alpar von der Universität Marburg entkräften. In einer auf groben Schätzungen basierenden Statistik legte er dar, dass sich mit den nutzergenerierten Inhalten kaum Geld verdienen lasse. So nehme Facebook gerade Mal 3 US-Dollar pro Nutzer und Jahr ein, das Business-Netzwerk Xing käme auf etwas über 4 Euro, StudiVZ auf ungefähr einen Euro. Er rechnete auch den Stundensatz von Vorzeige-Blogger Robert Basic aus. Nach Alpars Schätzungen verdiene dieser einen Stundensatz von unter 20 Euro.

Alpars Fazit: "Ich glaube kaum, dass jemand heute wirklich Geld mit diesen Inhalten verdient." Dafür erntete er lebhaften Widerspruch. So seien viele Geschäftskonzepte mit neuen Medien durchaus tragfähig und erfolgreich, als Paradebeispiele dienten Amazon und Ebay, die ihre Marktposition nur aufgrund von nutzergenerierten Inhalten erreicht hätten. Aber auch Nischenangebote könnten in Zeiten des medialen Überangebots überleben.

Dass das Spiel mit immer neuen Kommunikationskanälen und der Nutzerpartizipation nicht immer einfach ist, mussten auch die Veranstalter der Konferenz erkennen. Sie wollten den Zuschauern einen direkten Rückkanal zur Diskussion geben und richteten einen "Instant Messenger" ein, mit dem die Zuhörer ihre Fragen direkt an die Diskussionsteilnehmer stellen sollten. Doch statt auf eine SMS-Wand setzten die Veranstalter auf kleine gelbe Zettel, die die Fragenden an die Moderatoren durchreichen sollten. Doch bis zum Ende der Veranstaltung fand kein einziger Zettel den Weg zum Podium. Die Konferenzteilnehmer griffen lieber – ganz klassisch – zum Mikrofon. (Torsten Kleinz) / (vbr)